Uneins bei Abschiebestopp

■ SPD-Minister beschließen keine gemeinsame Frist / BVG will Überprüfung türkischer Garantien

Düsseldorf/Karlsruhe (taz/AFP) – Die SPD-Innenminister sind sich nach den Worten des Düsseldorfer Ministers Herbert Schnoor „materiell einig“, daß Abschiebungen von Kurden in die Türkei ohne zusätzliche Sicherheiten derzeit nicht verantwortbar sind. Sie haben sich jedoch nicht auf eine gemeinsame Frist für einen Abschiebestopp geeinigt.

Vom Grundsatz her sei ein Abschiebestopp bis zum 12. Juni rechtens, meinen die Minister. Mit der Verurteilung der kurdischen Oppositionspolitiker im vergangenen Jahr sei nach dem Ausländergesetz ein „neuer Sachverhalt“ geschaffen worden. Bei dem am 12. Dezember 1994 durch Kanther verkündeten Abschiebestopp habe es sich deshalb nicht um eine Verlängerung des bereits geltenden gehandelt, sondern um einen neuen. Dadurch seien die Länder erneut für sechs Monate in ihrer Entscheidung frei. Dennoch wurden die derzeit gültigen Fristen, zum Beispiel für Hamburg der 31. März, nicht einheitlich aufgehoben.

Nordrhein-Westfalen will sicherstellen, daß abgeschobene Kurden noch von Deutschland aus mit Hilfe des Istanbuler Menschenrechtsvereins Kontakt zu Rechtsanwälten aufnehmen können. Schnoor: „Die Möglichkeit der Betreuung durch einen Rechtsanwalt ist die Voraussetzung dafür, daß ich die Wiederaufnahme der Abschiebung von Kurden in die Türkei verantworten kann.“ Wenn entsprechende „Signale“ der türkischen Regierung ausbleiben, wird NRW die Frist bis zum 12. Juni ausschöpfen.

Das Bundesverfassungsgericht beschloß gestern, daß abgelehnte kurdische Asylbewerber, denen wegen in Deutschland begangener Straftaten in Zusammenhang mit PKK-Aktionen gerichtliche Verfolgung und Folter in der Türkei drohen, nicht ohne weiteres abgeschoben werden können. Das BVG fordert die Überprüfung der von der Türkei versprochenen Rechtsgarantien. Dazu zählt, daß der Betroffene „keiner rechtswidrigen Behandlung ausgesetzt wird“ und daß er schon vor seiner Ankunft in der Türkei einen Anwalt seiner Wahl hinzuziehen kann. Zudem soll er vor und nach einer Identitätsüberprüfung durch die Grenzbehörden von einem Arzt untersucht werden.

Die Karlsruher Richter räumten in ihrem Beschluß dem in Bayern von Abschiebung bedrohten Fariz Simsek die Möglichkeit ein, durch ein Verwaltungsgericht prüfen zu lassen, ob die Schutzmechanismen „auch in seinem Fall Anwendung finden“. (BvR 492/95) J.S.