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■ Press-SchlagGladbach? Nee!

Zwei Meisterschaftsfavoriten sind besser als einer (mehr Spannung). Drei Titelfavoriten sind besser als zwei (noch mehr Spannung). Am allerbesten aber ist es, wenn der dritte Titelfavorit nach den Dortmunder Borussen und Werder aus Bremen auch noch Borussia Mönchengladbach heißt. „Werden sie in diesem Jahr den Anschluß an die großen Zeiten der siebziger Jahre schaffen?“ fragte da im Sportstudio der Günther Jauch in uns allen. Wird, das meint die Frage, endlich alles wieder gut? Schließt sich der Kreis der Geschichte? Ist Stefan Effenberg doch die Reinkarnation von Günter Netzer?

Der Leser merkt gleich, daß wir uns hier im vollmythologisierten Raum befinden, aber so ist eben Fußball. Und solche wie Borussia Mönchengladbach sind im Mythengeschäft der Bundesliga immer auf der guten Seite. Eigentlich müßte der Klub eine Locke von Günter Netzer in Glas versiegelt ausstellen, haben doch seine Haartracht und seine Pässe über Jahre darüber hinweggetäuscht, daß es sich bei Borussia Mönchengladbach um einen piefigen CDU-Verein handelt. So gibt es heutzutage landauf, landab noch immer viele tausend Menschen, die den Klub vom Niederrhein für irgendwie cool halten. Und jetzt schwitzige Finger bekommen: Gladbach nur zwei Punkte hinter den Tabellenführern. „Jetzt will sich der ,Tiger‘ die Meisterschale krallen“, vermeldet das Lyrik-Departement von dpa. Und laut Leserumfrage „einer großen Boulevardzeitung“ sind die Gladbacher der neue Titelfavorit.

Doch nicht nur, weil mit Stefan Effenberg der Public enemy der Bundesliga am Bökelberg spielt, muß hier gesagt werden: „Don't believe the hype!“ Mönchengladbach im 95er Remix, das kann nicht der Stoff sein, aus dem die Meister sind. Trotz einer kerzengerade und volleffektiven Vierer-Abwehrkette, trotz eines unverschämt abgebrühten Effenberg. Trotz eines Sturms, der mit dem Jammerschweden Martin Dahlin und der rasenden Betschwester Heiko Herrlich wirklich höllengefährlich ist. Aber wir reden hier von der Krone bundesrepublikanischer Fußballschöpfung, und da fehlt Gladbach der besondere Kick doch.

Und natürlich spricht die große Politik gegen den Titelgewinn. Denn diese hat sich die Bundesligameister der letzten Jahre untereinander aufgeteilt. Abwechselnd durften die CDU und die SPD die Titel feiern. 1990 Bayern (CDU/CSU), 1991 Kaiserslautern (SPD), 1992 Stuttgart (CDU), 1993 Werder (SPD), 1994 Bayern, somit ist in diesem Jahr wieder die SPD, also Dortmund, Werder oder der 1. FC. Kaiserslautern dran. Und nicht Borussia Mönchengladbach. Aber, lieber Volker Finke, wie sieht es denn mit der Regierungsfähigkeit der Grünen im Staate Fußball aus? Es fehlen nur vier Punkte zur Amtsübernahme. Christoph Biermann

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