■ Tour d'Europe
: Wer zahlt die Zeche?

Wer zahlt, der hat das Sagen: Darin scheint man sich in Europa einig zu sein. Nur die Schlußfolgerungen, die im Norden und im Süden daraus gezogen werden, unterscheiden sich erheblich. In der nördlichen Hemisphäre, in Schweden und Norditalien etwa, herrscht in der Kneipe das Selberzahlen vor. In Schweden wird gelegentlich auch mit dem Bezahlen abgewechselt – man will nichts schuldig sein. Innerhalb eines breiten geographischen Streifens, der sich von Dublin über Paris bis nach Rom erstreckt, wird eine Zwischenlösung angewandt: In Frankreich wird am Ende die Zeche durch alle geteilt, und jeder steuert gleich viel bei. Wer auf jeden Centime achtet und genau nachrechnet, was er selbst konsumiert hat, macht sich schnell unbeliebt – nicht nur bei der Tischgesellschaft, sondern auch bei dem Kellner, der grundsätzlich keine getrennten Rechnungen liefert. Auch in Rom wird der Rechnungsbetrag durch die Anzahl der Teilnehmer am Mahl geteilt, jeder bezahlt den Anteil für sich und seine Angehörigen. Der Kellner wartet geduldig, bis das Geldhäuflein auf dem Tisch ausreichend ist. In britischen und irischen Kneipen hingegen herrscht das Rundensystem, bei dem immer der Schnellste den Zeitpunkt für die Bestellung einer neuen Runde bestimmt. Wer sich im Pub also zu einem Getränk einladen läßt, ist moralisch verpflichtet, sich zu revanchieren. Deutsche haben in dieser Hinsicht auf den Inseln einen schlechten Ruf: Sie gelten als langsam, wenn es um das Ziehen der Geldbörse geht, und man sagt ihnen nach, daß sie sich den ganzen Abend an einem halben Glas Bier festhalten können. Obwohl das britische System als gerecht gilt, gibt es dennoch Unterschiede: So wird derjenige als großzügig angesehen, der die erste Runde zahlt.

Weiter südlich herrscht noch die alte Form vor: In Palermo bezahlt automatisch der Capotavolo, das ist meist der Einladende, für alle. Schon die Frage, ob man sich nicht beteiligen dürfe, gilt als Beleidigung (nicht allerdings das Lob fürs feine Essen und die hervorragende Auswahl der Gerichte, an der man auch aus Diätgründen nicht rütteln sollte). In Neapel bekommt man oft überhaupt nicht heraus, wer bezahlt – die Gesellschaft geht, ohne daß eine Rechnung auf den Tisch kommt; der Bezahlende regelt das später, oder er ist so angesehen, daß es sich der Wirt als Ehre anrechnet, ihn und sein Gefolge als Gast gehabt zu haben, und als Gegenleistung auf Vergünstigungen anderer Art hofft. In Spanien bezahlt zumeist der Mann, und in Gruppen sehen es manche als Ehre an, ständig für andere mitzubezahlen. Hier gibt es allerdings Auflösungerscheinungen: Unter jungen Leuten steuert häufig jeder so viel bei, wie er schuldig zu sein glaubt – wenn am Ende zuwenig Geld auf dem Tisch liegt, legt jeder noch etwas dazu. Auch abwechselndes Bezahlen nimmt zu – wobei es für Frauen außerordentlich schwierig ist, dabei Geld loszuwerden.Wolff, WR, sotsch, dora, -ant-