Verschwendungslust aus Rache an Franco

■ In den achtziger Jahren wurden die Spanier vom Konsumrausch ergriffen

„Wenn ich plötzlich 100 Mark finden würde, dann würde ich mit jemandem schön essen gehen“, sinniert Trinidad. „Sparen? Wozu denn? Nachher geht die Bank pleite und das Geld ist weg.“ Die junge Frau ist Vertreterin für Biokosmetika in Madrid – ein einträglicher Job, denn die Biowelle schwappt langsam auch nach Spanien. Sie ist ledig und wohnt bei ihrer Mutter, wie viele unverheiratete Spanier heute. Das freut die Eltern und spart Mietkosten.

Dennoch hat Trinidad nie Geld. „Es ist ganz einfach“, erklärt sie. „Wenn ich mal Geld übrighabe, dann kaufe ich für meine Nichte ein Kleid, bringe meine Mutter zum Friseur, kaufe einen besonders guten Fisch und leihe meinem Bruder was.“ Bald sind die Reserven weg, und Trinidad bleibt abends zu Hause, weil sie das Kino nicht bezahlen kann. Es sei denn, ihre Schwester leiht ihr was.

Geld ist etwas, dessen man sich in Spanien zumeist umgehend entledigt. Etwa 23 Prozent der Haushalte geben regelmäßig mehr Geld aus, als sie besitzen. Unter Franco war der spanische Lebensstandard so niedrig, daß nur die andalusischen Señoritos, die von ihrem Großgrundbesitz lebten, über die Stränge schlagen und Luxus zeigen konnten. Die Normalbevölkerung hatte genug Sorgen, überhaupt den Bauch vollzubekommen.

Freilich: Gäste wurden eingeladen und bewirtet, das war Ehrensache. Und ein paarmal im Jahr, etwa am Tag des jeweiligen Schutzpatrons, wurden alle Tabus gebrochen. An solch einem Tag bewarfen sich Dorfeinwohner mit Tonnen roter Tomaten oder Mehl, rissen Gänsen zum Vergnügen die Hälse ab und ließen den Rotwein strömen. Doch nicht nur am Geldmangel lag die Kargheit: Das Francoregime selbst predigte das Mittelmaß als Lebensphilosophie. Es fürchtete die Unkontrolliertheit.

Nachdem Franco gestorben war und 1982 die Sozialisten an die Regierung gekommen waren, veränderte sich Spanien rapide. Nach dem Beitritt zur EG überflügelte Spanien mehrere Jahre lang alle anderen Mitgliedsländer an Wirtschaftswachstum. Und gleichzeitig machte sich die Überwindung der frankistischen Enge in ungezügelter Verschwendungslust Luft. Endlich konnte man selbst ein bißchen den Señorito spielen, endlich durfte man die schönen Seiten des Lebens ohne schlechtes Gewissen genießen. Bis Anfang der 90er Jahre herrschte in Spanien ein nie gekannter Konsumrausch. Die Autoindustrie boomte, Hi-Fi-Läden schossen überall aus der Erde. Doch vor allem gab man große Mengen Geld in Kneipen aus.

Inzwischen hat die Krise erbarmungslos zugeschlagen. Der Pleitegeier hat viele Firmen, deren Eigentümer ihren Gewinn einfach verjubelt haben, in den Krallen. Die Arbeitslosigkeit gehört mit knapp 20 Prozent zu den höchsten der EU, und die Reallöhne sinken seit Jahren. Die Autoverkäufe sind ebenso zurückgegangen wie die Umsätze der Textilindustrie, und auch die Restaurants und Kneipen, die Bars und Pubs haben die Krise zu spüren bekommen.

Auch Trinidad spürt die Krise: „Ich habe jetzt erst mal den Kauf eines neuen Autos zurückgestellt. Und ein paar Klamotten zum Ändern gebracht. Kommst du heute abend auf einen Happen in die Taberna del Foro?“ Antje Bauer