Mord im Mailänder Mode-Milieu

■ Erbe des Gucci-Vermögens wurde gestern früh auf offener Straße kaltblütig erschossen

Rom (taz) — Drei Schüsse, alle nach Ansicht der Polizei punktgenau plaziert, dann ein Schuß, um einen zu Hilfe geeilten Pförtner an der Verfolgung zu hindern, und schließlich eine höchst wendige Flucht, die weder ein zufällig über dem Tatort kreisender Hubschrauber noch ein vorbeikommendes Polizeiauto verhindern konnte: Gegen neun Uhr morgens wurde gestern der Erbe des Florentiner Mode-Imperiums Gucci, Maurizio Gucci, auf offener Straße ermordet. – Der heute 48jährige Dr. jur., Sprößling der bereits ein Jahrhundert währenden Dynastie Guccio Gucci, hatte 1983 nach dem Tode seines Vaters Rodolfo den Hauptteil des Vermögens beansprucht, aber erst nach einem heftigen Rechtsstreit zugesprochen bekommen und ihn, da inzwischen hoch verschuldet, danach verkauft.

Über die Motive des Mordes herrscht Unklarheit – die perfekte Ausführung veranlaßt die Ermittler jedoch, nicht so sehr an ein Eifersuchtsdrama oder einen Raubüberfall zu denken. Mögliche Ansatzpunkte sind einerseits noch Nachwirkungen des Erbstreites oder aber, da Maurizio Gucci relativ unvermittelt eine ganze Kette von Geschäften eröffnet hat, auch Auseinandersetzungen mit der Konkurrenz – oder mangelnde Zahlungsbereitschaft an die Schutzgelderpresser.

Die Familie Gucci ist immer für tausenderlei Gerüchte und Hintertreppengeschichten gut, aber auch für Berichte über handfeste strafrechtliche Vorfälle. Maurizio Guccis Onkel Aldo wurde bereits in den achtziger Jahren wegen Steuerhinterziehung steckbrieflich gesucht. Und die Firma selbst geriet, wie nahezu die gesamte Mailänder Haute couture, ins Visier der Korruptionsermittler „Mani pulite“.

Der Mord an Gucci hat in Windeseile gezeigt, daß in Italien eines doch noch funktioniert: der Selbstschutz der Eliten. Innerhalb von weniger als zwei Stunden waren nach Journalistenbeobachtungen vor allen Wohnungen und Büros von Modeschöpfern Polizeiposten aufgezogen. Werner Raith