„Rassismus per Gesetz“

■ Oppositionsparteien und Pro Asyl kritisieren das vom Gesundheitsministerium geplante „Ausländerleistungsgesetz“

Berlin (taz) – Auf heftige Kritik sind die Pläne der Bundesregierung gestoßen, durch ein neues „Ausländerleistungsgesetz“ die Sozialhilfesätze für rund 600.000 AusländerInnen drastisch zu kürzen und diese staatlichen Hilfen nur noch in Form von Sachleistungen zu gewähren. Die taz hatte in ihrer Samstagausgabe über einen entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums informiert. Danach soll das 1993 geschaffene „Asylbewerberleistungsgesetz“ künftig auch auf Bürgerkriegsflüchtlinge und geduldete AusländerInnen ausgedehnt werden. „Menschen zum Zweck der Kostenersparnis und Abschreckung in Sondergesetze zu zwingen, ist juristisch kodifiziertes Unrecht, das sich für einen sozialen Rechtsstaat verbietet“, kritisierte gestern die Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl. Die Flüchtlingsorganisation forderte die Freien Demokraten und die Oppositionsparteien auf, „unmißverständlich Stellung zu beziehen und den Entwurf in den Reißwolf zu befördern“.

Die Ausländerbeauftragte des Bundes, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), war bisher über den Entwurf nicht informiert. Das Bundesgesundheitsministerium hielt es nicht für notwendig, sie in die Beratungen miteinzubeziehen. Auch der SPD-Fraktion in Bonn waren Seehofers Pläne bis zur Veröffentlichung in der taz unbekannt. Bei ihnen stieß der Gesetzentwurf auf Unverständnis. Die Sozialdemokraten hatten bei der Verabschiedung des Asylbewerberleistungsgesetzes gerade darauf gedrungen, daß die Mittelkürzungen nur für Asylbewerber und nur für maximal zwölf Monate gelten.

Eine Verlängerung dieser Frist und eine Ausdehnung auf andere Gruppen sei für die SPD nicht vorstellbar, kritisierte die Sprecherin der Arbeitsgruppe Sozialhilfe der SPD, die Bundestagsabgeordnete Brigitte Lange. Weil der Bund sich bisher weigert, sich an den Sozialhilfekosten für Bürgerkriegsflüchtlinge zu beteiligen, biete Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) den finanziell überforderten Ländern einen „Köder“ an: Ihr tragt die Kosten weiter alleine, aber wir erlauben euch per Gesetz, sie zu reduzieren. „Wo wir aber eine Gruppe von Menschen aus dem Sozialhilfegesetz herausnehmen, machen wir die Tür auf, mit anderen Gruppen ähnlich zu verfahren“, warnte die SPD-Abgeordnete.

Die Grünen bezeichneten das geplante Ausländerleistungsgesetz als eine „Kampfansage an alle in der Bundesrepublik lebenden AusländerInnen“. Die von Gesundheitsminister Seehofer geplante Deklassierung von Flüchtlingen sei ein „Rassismus per Gesetz“.

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege hatten schon vor vier Wochen vor einer Ausweitung des Asylbewerberleistungsgesetzes auf andere Ausländergruppen gewarnt. Anstatt die „entwürdigenden und entmündigenden“ Vorschriften auszuweiten, hatten die Verbände gefordert, das Gesetz maximal auf die ersten drei Monate des Aufenthalts eines Flüchtlings zu beschränken. Vera Gaserow