Nachschlag

■ Bruder Leichtfuß: Peking-Künstler Bechtold in Berlin

Matias Bechtold: Ohne Titel, 1995 Foto: Jürgen Baumann

Fünf asketisch weiß gerauhfaserte und symmetrische Räume – Kellerzellen. Die neue Souterrain-Galerie an der Kastanienallee steht für ein Konzept, das im selbstgedruckten Fanzine dargelegt wird: Poppropaganda und Gewichtiges zur Trashästhetik, Minimalsituationismen und verstreute Collagen. Diepgen lehrt im Blaumann Maos Schriften, Beuys malt dazu die Bilder. Die Welt nach der Revolution wird wie ein „Fortune Cookie“ sein, knallpeng.

Nur sind die Objekte von Matias Bechtold ganz anders, als man sich die glorreiche Real-Soz-Art-Tradition vorstellen möchte: „Fantasy of Love“ ist ihr Sammeltitel, und sie sehen eher obszön aus. Verstreut über die hellen Wände und Winkel hat der Rheinländer, früher Schüler von Bernd Koberling und als solcher von der Malerei nicht ganz unbefleckt, streichholzschachtelgroße Gebilde am Gemäuer festgeschraubt. Niedere kleine Wurmfortsätze aus Kunststoff, die so ineinandergeknetet sind, daß sich mancherlei Phallen zwischen hochglänzend polierten Falten und Schenkelchen verbergen. Andere Kompositionen scheinen mehr aus der Alien-Genealogie herübergerettet: dreifach gefächerte Zahnreihen, die sich in Wirbeln und Gedärmen festgebissen haben. Technisch perfekt miniaturisiert und polymorph-pervers gebrochen, sind die namenlosen Ungeheuer zugleich Wunschobjekt und abschreckendes Beispiel. Mit surrealistischer Logik, Bellmers Puppen oder Moliniers Travestien, ist dem Gedöns auch nicht beizukommen. Bechtolds Figuren sind weder per Zufall aus aufgetrockneten Polystyrol-Pfützen entstanden noch als Erinnerung an die letzten Träume nachgeformt und durchgearbeitet worden. Statt dessen ergeben sie als fortlaufende Serie ein Archiv der „Fantasy of Love“, so kunstvoll wie antike Erotika auf Space-Odyssee. Harald Fricke

Bis 25.4., Sa./So. 16–20 Uhr, Kastanienallee 86, Prenzlauer Berg