■ Sechs Oscars für „Forrest Gump“
: Geh dumm voran, Forrest Dumb

Es fällt nicht schwer und möbelt den Beruf des Filmkritikers ungemein auf, sich hinzusetzen und die Entscheidung der Oscar-niks als Politikum zu deuten. Nie fiel es aber so leicht wie in diesem Jahr: Wenn ein Film nominiert wird, obwohl das alle schon vorher wußten, und obwohl der Hauptdarsteller schon im letzten Jahr geehrt worden war, dann ist ein echtes Anliegen im Spiel. Wenn dann auch noch David Letterman, der Talkmaster der Nation, die Show im Shrine Auditorium moderiert, statt einer aus Hollywood, war erst recht vorgegeben, daß man diesmal nicht nur im eigenen Orbit zu kreisen gedachte.

Die Magical History Tour des Forrest Gump, eines einfachen Südstaaten-Tropfs, aus den Eisenhower- Fünfzigern in die Reagan-Achtziger, trug alle Insignien der kollektiven Wunscherfüllung. Unschuldig an der Segregation in Texas, unschuldig (und verfolgt) in Vietnam, unschuldig in der Liebe und dennoch immer mit der Nase ganz vorn, ist er die lieblichste Erfüllung des Amerika-Bildes im Ausland seit Mickey Mouse. Von seinen bösen Brüdern Beavis and Butthead, die in der Lage sind, schon mit der Fernbedienung Schlechtes zu tun, weiß er nichts.

Ebensowenig weiß seine Schwester im armen Geiste, Nell – ebenfalls für den Oscar nominiert –, deren Zurückgebliebenheit auch sie vor dem Schuldigwerden in der Zivilisation schützt. Nell, Jodie Fosters Mädchen aus gutem Walde, mag es nicht, wenn die Erwachsenen sich streiten, wenn die Hochhäuser den Himmel verstellen und die rücksichtslose Intelligenz aus Wissenschaft und Journalismus in Feld, Wald und Wiesen vordringt (ganz zu schweigen von anderen, an Liam Neeson herunterhängenden Dingen).

Auch „Quiz Show“, Robert Redfords Lobeshymne an das Amerika vor dem Verlust seiner Fernseh-Unschuld, votiert gegen die kalte Intelligenz und für die einfache, intentionsfreie Leistung, die nicht lang fragt, sondern einfach macht, quadratisch, praktisch, gut.

Die nächsten „Idiotenfilme“ sind in Arbeit. Anders als noch zu „Rain Man“-Zeiten, wo es nur darum ging, die Habsucht der Yuppies zu deckeln, dreht es sich neuerdings um eine Conditio der ganzen Humana, ohne die nix mehr geht. Schluß mit der zögerlich- impotenten Nachdenklichkeit der Washingtoner Clintonians. „Dumb and Dumber“ heißt ein demnächst hier startender Streifen schlicht und ergreifend. Weitere Steigerungen sind möglich und zu erwarten. Mariam Niroumand