"Für uns eine Frage des Überlebens"

■ Pene Lefale aus West-Samoa, einem Pazifikstaat von der Größe Belgiens mit 180.000 EinwohnerInnen, vertritt auf der UN-Klimakonferenz das Climate Network Action Pacific / Er bezeugt: Veränderungen...

taz: Wenn der Meeresspiegel durch die globale Erwärmung ansteigt, wird Ihre Heimat im Meer versinken. Gibt es schon Anzeichen für den Klimawandel?

Lefale: Die tropischen Zyklone sind in den letzten Jahren wesentlich heftiger geworden. Das zerstört nicht nur unmittelbar viele Gebäude und Anlagen in West-Samoa, sondern hält auch Investoren ab. Es gibt inzwischen keine Versicherung mehr, die bereit ist, bei uns Verträge zu schließen. Sie alle sind nach den Stürmen von 1990 und 1991 abgezogen. 90 Prozent der Häuser wurden zerstört. Wir sind jetzt in einer Situation, wo es keine Hoffnung auf wirtschaftliche Entwicklung gibt. Hinzu kommen noch die Dürren durch das El-Nino-Phänomen [bei dem sich die üblicherweise vorherrschende östliche Windrichtung über dem westlichen Pazifik umdreht; d. Red.], die heute nicht mehr alle zwei bis fünf Jahre auftreten, sondern jedes Jahr. Und auch an den Korallen bemerken wir die Klimaänderungen. Das Meerwasser an unseren Küsten hat sich im letzten Jahrzehnt bereits um zwei bis drei Grad erwärmt. Korallen lieben eine Temperatur von 27 bis 28 Grad. Aber wenn es wärmer wird, sterben sie. Das hat für uns fatale Folgen. Denn die Korallen brechen die hohen Wellen und sind somit ein Küstenschutz. Auch das ganze Ökosystem Meer bei uns hängt von ihnen ab. Die Fische ernähren sich dort, und die Menschen leben von den Fischen. Auch verkaufen wir einige Korallen an Touristen.

Tourismus ist Einnahmequelle und Klimakiller zugleich ...

Ja, wir haben einen internationalen Flughafen. Air New Zealand fliegt ihn zweimal wöchentlich an. Viele Touristen, besonders auch aus Deutschland, besuchen unser Land. Auch das trägt natürlich ein Stück weit zu unserem Untergang bei. Es ist heißer geworden und feuchter. Die Touristen reagieren darauf oft mit der Forderung nach einer Klimaanlage – Ironie der Geschichte. Der Tourismus ist ein Teil unserer Geldpolitik, in die wir leider reingerutscht sind, so daß wir nicht mehr Selbstversorger sind wie in alten Zeiten. 20 Prozent der Menschen leben inzwischen von der Tourismusindustrie. Aber es ist ja auch eine ebensolche Ironie der Klimakonferenz hier in Berlin, daß dafür soviel CO2 in die Luft geblasen wird – die ganzen Flüge, die Massen von Papier. Hoffentlich geht so was bald mit Internet. Als erster Schritt muß das Flugbenzin teurer werden; dazu gibt es hier in Berlin auch einen Vorschlag.

Haben Sie Verbindungen zu Wissenschaftlern, die Ihre Beobachtungen untermauern?

Ja, sehr viele. Die meterorologischen Stationen für unser Gebiet sind vorwiegend in Neuseeland und Australien sowie bei der NASA der USA. Sie kommen zu den gleichen Ergebnissen wie wir durch unsere Beobachtungen. Keiner kann sagen, daß wir uns das alles nur einbilden – es ist alles wissenschaftlich belegt.

Glauben Sie, daß die Klimakonferenz das von Ihrem Land mitverfaßte AOSIS-Protokoll der kleinen Inselstaaten verabschieden wird, das eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes in den Industrieländern um 20 Prozent vorsieht?

Ich bin immer Optimist und hoffe es stark. Warum hätte ich sonst herkommen sollen? Für uns ist das nicht ein Stück Papier, sondern eine Frage des Überlebens. Manche Leute haben schon gesagt, daß ein paar hunderttausend Menschen auf kleinen Inseln niemanden interessieren und daß wir lieber gleich nach Australien umziehen sollten. Aber diese Inseln sind unsere Heimat – und es gibt keine zweite Heimat. Und was bedeutet eine solche Haltung, die Umsiedlungen für die Opfer des menschlich verursachten Klimawandels vorsieht? Auch in Afrika wird es viele Menschen geben, deren Lebensgrundlage durch die Erwärmung zerstört wird. Sollen dann Millionen von Leuten nach Deutschland auswandern? Der Klimawandel wird weltweit immense soziale und wirtschaftliche Auswirkungen haben. Das mindeste, was ich hier in Berlin erwarte, ist, daß unser Gedanke aus dem AOSIS-Protokoll übernommen wird, wenn schon das Protokoll nicht verabschiedet werden sollte.

Wie sind die AOSIS-Staaten, zu denen außer den Pazifikstaaten auch Kuba und Malta zählen, zusammengekommen?

Wir sind 36 UNO-Länder und fünf andere. 1988, als die Veränderungen sich abzeichneten, nahmen verschiedene Regierungen im Pazifik Kontakt miteinander auf, um ein gemeinsames Vorgehen zu beraten. Wir nahmen auch Verbindung auf zu Ländern im Indischen Ozean, in der Karibik und dem Mittelmeer. Offiziell als Gruppe haben wir uns dann bei der Klimakonferenz in Genf 1990 zusammengeschlossen. Interview: Annette Jensen