Erster Freispruch in Flachslanden

■ 36jähriger vom Vorwurf des Mißbrauchs freigesprochen

Nürnberg (taz) – Zum ersten Mal in der Prozeßserie wegen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in dem fränkischen Dorf Flachslanden hat das Ansbacher Landgericht einen Angeklagten freigesprochen. Richter Peter Heckel begründete sein Urteil mit der fehlenden Genauigkeit der Aussagen des Opfers, eines heute 14jährigen Mädchens. Aus den widersprüchlichen Angaben des Kindes habe man nicht annähernd Zeit, Ort und Umstände der Tat mit einer für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit erkennen können. Der Staatsanwalt hatte zwei Jahre und neun Monate Haft gefordert.

Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft haben in Flachslanden 21 Erwachsene über Jahre hinweg neun Kinder massiv sexuell mißbraucht. Hauptopfer sind vier Töchter der Familie T., die älteste war zur Tatzeit gerade mal zehn Jahre alt. Mutter Angelika und Vater Rudolf T. wurden bereits wegen mehrfacher Vergewaltigung und sexuellen Mißbrauchs zu 10 beziehungsweise 14 Jahren Haft verurteilt.

In dem 14. Prozeß – zwölf endeten mit einer Verurteilung, ein Verfahren wurde ausgesetzt – stand nun der Nachbar der Familie T. vor Gericht. Der Industriemeister bestritt von Anfang an, die Töchter der Familie mißbraucht zu haben.

Die Ehefrau des Angeklagten sagte als Zeugin aus, daß sich der Kontakt ihres Mannes zu der Familie „auf das Nötigste beschränkt“ habe. Angelika T. bestritt ebenfalls, daß der 36jährige „etwas mit den Kindern gemacht“ habe. Das heute 14jährige Mädchen bekräftigte dagegen den Anklagevorwurf.

Bislang hatte die Sachverständige, die Münchner Psychologin Poschenrieder, den Aussagen der Mädchen uneingeschränkt Glaubwürdigkeit attestiert. In diesem Fall jedoch bemängelte sie die notwendige Genauigkeit. Auch der Anwalt der Kinder, Rolf Krämer vom Ansbacher Jugendamt, äußerte erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen der 14jährigen. „Sie konnte und wollte einfach nichts Genaues erzählen. Es kann sein, daß sie mittlerweile alles in einen Topf wirft.“

Die Jugendkammer des Ansbacher Landgerichts hielt auf dieser Grundlage einen Schuldnachweis nicht für möglich. Der Angeklagte wird sich über diesen Freispruch jedoch nicht so recht freuen können. Er hat aufgrund des schwerwiegenden Vorwurfs und der sechsmonatigen Untersuchungshaft seinen Arbeitsplatz verloren. Auch die Raten für sein Einfamilienhaus konnte er nicht mehr bezahlen. Bernd Siegler