Ebola geht nach Hollywood

Wolfgang Petersens Viren-Thriller „Outbreak“ und Richard Prestons Vorlage „Hot Zone“  ■ Von Karl Wegmann

Die neuen Kinomonster sind kompromißlos egoistisch, kompakt, zäh und logisch. Sie sitzen überall, schweben auf dem Wasser und im Wind. Zu Myriaden und Abermyriaden bevölkern sie den gesamten Globus und attackieren alles, was lebt. Ihr einziges Ziel ist Vermehrung. Dabei sind die gnadenlosen Bestien so klein, daß man sie nur im Elektronenmikroskop erkennen kann. Die Minimonster sind Parasiten: Sie können nicht alleine leben. Sie brauchen einen Wirt, und den wollen sie eigentlich nicht umbringen. Das kann auch gar nicht ihr Interesse sein, denn wenn es den Biestern nicht gelingt, rechtzeitig auf einen neuen Wirt überzuspringen, sterben sie ebenfalls. Trotzdem töten sie. Die neuen Filmbösewichte sind Mikroben der übelsten Sorte: Viren! Das HI-Virus ist nicht das einzige, das in den letzten Jahrzehnten neu auftauchte. Immer wieder entdecken Virologen bislang unbekannte Erreger. Seit über hundert Jahren versuchen Medizin und Wissenschaft nun schon das Wirken der Viren zu erforschen und sie zu bekämpfen. Doch noch immer stehen die Forscher vor unzähligen Rätseln. „Viren sind unsere einzigen und echten Rivalen um die Herrschaft über den Planeten“, sagt Genetiker und Medizin- Nobelpreisträger Joshua Lederberg von der Rockefeller University in New York, „wir müssen auf Draht sein, um mit ihnen Schritt zu halten.“ Man wundert sich, daß sich Hollywood so lange Zeit ließ, um diese Bedrohung abzubilden.

Wolfgang Petersen hat seinen Film „Outbreak“ im Stil eines alten Monstermovies gedreht (das Ungeheuer kommt in die Stadt, ein verzweifelter Abwehrkampf beginnt), und obwohl man seine Monster nicht sehen kann – auf dem Punkt am Ende dieses Satzes hätten ungefähr hundert Millionen kristallisierter Polioviren Platz –, sind sie bösartiger, grauenvoller und tödlicher als alle Tarantulas, King Kongs und weißen Haie zusammen. Denn es handelt sich nicht um den Auslöser der Kinderlähmung, der da über die Leinwand tobt, sondern um Ebola (benannt nach einem Fluß in Zaire), einem hochgradig gefährlichen Krankheitserreger aus den Tropen; genaue Herkunft unbekannt. Das Virus tötet neun von zehn Infizierten auf so schnelle und so grausame Weise, daß selbst Experten entsetzt sind. Ebola zersetzt innerhalb von nur drei Tagen die Blutgefäße, die inneren Organe und das Gehirn. Der Mensch blutet aus. Gegen Ebola (Laborsicherheitsstufe 4) wirkt selbst das HI- Virus (Stufe 2) wie ein Schnupfen.

Der amerikanische Naturwissenschaftler und Journalist Richard Preston schrieb erstmals 1992 in einem Artikel für den New Yorker über die Familie der Filoviren (fadenförmige Viren), zu denen die drei Unterarten des Ebola- Virus (Ebola-Zaire, Ebola-Sudan und Ebola-Reston) und das eng verwandte Marburg-Virus gehören. 1994 machte Preston aus seinen Aufsätzen den packenden Tatsachen-Thriller „Hot Zone“. In dem Buch beschreibt er die Entdeckung und die Suche nach der Herkunft der mysteriösen Viren, die bereits in den 70er Jahren in Afrika ganze Dörfer ausgerottet haben. Durch lückenlose Abriegelung riesiger Gebiete konnte die Epidemie damals gestoppt werden. Die Weltöffentlichkeit nahm die Katastrophe kaum zur Kenntnis. Dabei war die Weltgesundheitsorganisation schon früher alarmiert worden. Im Sommer 1967 hatten sich besorgte Mediziner aus Marburg bei der WHO gemeldet. In der hessischen Kleinstadt waren innerhalb von zwei Wochen vier Menschen an einer rätselhaften Krankheit gestorben und 24 weitere schwer erkrankt. Es handelte sich um Tierpfleger und Laborangestellte einer pharmazeutischen Firma. Sie hatten sich bei Versuchtstieren, Grünen Meerkatzen, infiziert, die aus Uganda importiert worden waren. Zur selben Zeit wurden der WHO ähnliche Fälle aus Frankfurt am Main und aus Belgrad gemeldet. Auch dort waren Firmen mit Affen aus Uganda beliefert worden. Und dann ereignete sich jener Zwischenfall, den Hollywood für filmreif hielt: Ebola kam nach Amerika.

1989 war das Virus in der Nähe von Washington D. C. in einer großen Forschungsstation unter Laboraffen ausgebrochen. Als die Dinge außer Kontrolle zu geraten drohten, rief man die Armee zur Hilfe. In einer 18 Tage andauernden, streng geheimgehaltenen Mission versuchten Hunderte von Spezialisten der Epidemie Herr zu werden. Die psychische Belastung wurde fast unerträglich, als drei Menschen erkrankten und man feststellte, daß sie keinen direkten Hautkontakt mit einem Infizierten hatten. Was man bis dahin nicht ahnte: Ebola verbreitet sich auch über die Luft.

Der erste der in Hollywood auf die Mördermikroben-Geschichte ansprang war der Produzent Arnold Kopelson („Auf der Flucht“). Er versuchte schon 1992 die Rechte an dem New Yorker-Artikel „Crisis in the Hot Zone“ zu bekommen. Aber Richard Preston verkaufte lieber an Ridley Scott („Alien“). Kopelson entwickelte daraufhin für Warner ein eigenes Drehbuch, benutzte aber Prestons Geschichte als Hintergrund. Ridley Scott machte sich für Fox an die Arbeit. Jetzt begann ein gnadenloses Wettrennen. Warner engagierte als Regisseur Wolfgang Petersen, der gerade mit „In the Line of Fire“ einen großen Erfolg feierte, und Dustin Hoffman, René Russo, Morgan Freeman und Donald Sutherland als Stars. Scott bekam die Kassenmagneten Jodie Foster und Robert Redford unter Vertrag.

Als Kopelson und Petersen schließlich zwei Wochen früher als geplant mit den Dreharbeiten beginnen konnten, war das Rennen fast gelaufen. Zu dieser Zeit waren die Drehbuchschreiber des Scott- Projekts immer noch auf der Suche nach einem dritten Akt. Jodie Foster zog sich genervt zurück, weil ihre Rolle immer kleiner wurde, und als schließlich auch Redford aufgab, legten sie bei der Konkurrenz eine Woche Drehpause ein. Die Zeit wurde dringend benötigt, denn auch für „Outbreak“ war das Drehbuch alles andere als perfekt, und der Streß der rasanten Produktion setzte den Hauptdarstellern zu.

Vielleicht war es dieser enorme Druck unter dem alle Beteiligten standen, der „Outbreak“ nicht gerade zum Thriller des Jahres macht. Die Geschichte ist simpel gestrickt: In Cedar Creeks, Kalifornien bricht eine tödliche Epidemie aus. Sie droht sich über das ganze Land auszubreiten, also wird der Ort von der Armee hermetisch abgeriegelt, Ausbrecher sofort erschossen. Während der Militärarzt Dr. Sam Daniels (Dustin Hoffman) mit seiner Ex-Frau (René Russo) einen humanen Ausweg, sprich ein Gegenmittel sucht, möchte General McClintock (Donald Sutherland spielt ihn mit Eiswasser in den Adern) das Virus und mit ihm den ganzen Ort wegbomben. Das Ende ist bekannt: In Hollywood werden keine amerikanischen Städte einem afrikanischen Virus geopfert. Happy-End! Wer denkt schon an Aids.

Über Prestons Buch sagte selbst Horrorfabrikant Stephen King, es seien „die grauenerregendsten Geschehnisse, von denen ich je gelesen habe“, Wolfgang Petersen tut sich schwer, diesen Schrecken umzusetzen. Viel zu kurz hält man sich an die Fakten, viel zu schnell werden die Ereignisse überzeichnet und dadurch – ist ja nur ein Film – unglaubwürdig. Wenn einem dann doch einmal die Angst vor dem Virus gepackt hat, wird man gleich wieder mit spektakulären Action-Szenen, wie Huschrauber-Verfolgungsjagden und Bombenabwürfen unterhalten. Außerdem kommt einem das ganze Szenario irgendwie bekannt vor. Gab es da nicht schon 1973 einen Film von George A. Romero, der „Crazies“ hieß, in einer amerikanischen Kleinstadt spielte, in der eine Seuche ausgebrochen war und die vom Militär streng und mit drastischen Mitteln abgesperrt wurde? Und was ist mit „Andromeda“, „Cassandra Crossing“ oder „The Stand“?

Eigentlich schade, daß es Ridley Scott nicht gelungen ist, seinen Viren-Thriller zu drehen, man hätte doch gerne verglichen. Vielleicht hätte es Scott es ja geschafft, daß man auf den Punkt am Ende eines Satzes schaut, und es fröstelt einen bei der Vorstellung, wieviel Grauen darauf Platz hat.

Wolfgang Petersen: „Outbreak: Lautlose Killer“. Mit Dustin Hoffman, René Russo, Morgan Freeman, Donald Sutherland u. a.; USA 1995; 110 Min.

Richard Preston: „Hot Zone – Tödliche Viren aus dem Regenwald“. Droemer Knaur Verlag, 365 Seiten, geb., 39,80 DM