■ Theo Waigels Haushalt und Seehofers Kürzungspläne
: Neueste Grausamkeiten

Nur noch zwei Tage Haushaltsberatungen: Finanzminister Theo Waigel dürfte ihnen, Seehofer sei Dank, etwas ruhiger entgegensehen. Wenn der nämlich mit seinen Plänen durchkommt, die Sozialhilfe drastisch zu kürzen, zum Beispiel für Kinderreiche, dann senkt er damit auch den Maßstab dessen ab, was staatlicherseits als Existenzminimum jeden Bürgers und jeder Bürgerin angesehen werden darf. Theo Waigel, der fürchten muß, daß ihm das Verfassungsgerichtsurteil zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums ein weiteres hübsches Minus in den Bundeshaushalt reißen wird, wäre dann wenigstens in dieser Angelegenheit aus dem Schneider. In Sonntagsreden wird zwar gern die Leistung beschworen, die sich wieder lohnen müsse. Doch wenn's ernst wird, denkt der Bundeskassenverwalter lieber daran, wie er an Geld kommt: So viel mehr als der Sozialhilfeempfänger soll der leistungsbereite erwerbstätige kleine Steuerbürger nun auch nicht nach Hause tragen.

Ein Witz am Rande, daß derlei unter „Umbau des Sozialstaats“ läuft: Der wäre weiß Gott hier und da nötig. Die altmodische Abhängigkeit, zum Beispiel der Rente, davon, daß die Generation der späteren Rentenempfänger erst einmal fleißig Kinder in die Welt setzt, die ihnen das Altersruhegeld dann als Erwachsene erwirtschaften, ist ein Stück Agrargesellschaft mitten im postindustriellen Zeitalter.

Es fällt freilich auf, daß es um derlei fast nie geht, wenn in Bonn und anderswo von Umbau die Rede ist. Wofür die Wirtschaftsverbände schon lange trommeln – die neuesten Grausamkeiten aus dem Hause Seehofer machen überdeutlich, daß auch Christdemokraten Abbau meinen, wenn sie von „Umbau des Sozialstaats“ reden. Auf die moralischen Proteste der winzigen Armen-Lobby und der Sozialpolitiker dürften die Väter dieser Kahlschlagpläne gefaßt sein. Nennen wir sie noch einmal, denn sie stimmen ja alle und können nicht genug wiederholt werden: Diese Regierung trägt die Krise auf dem Rücken der Armen aus, sie verteilt von unten nach oben um, sie lenkt den berechtigten Neid der Nichtbesitzenden von den Reichen ab und hetzt die aufeinander, die wenig oder nichts haben, die Sozialhilfe- und die kleinen Lohnempfänger.

Es ist zu hoffen – und wohl auch wahrscheinlich –, daß sich Bundestag und Bundesrat Seehofer diesmal noch entgegenstemmen werden. Für Entwarnung wäre dann aber immer noch kein Grund: Steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein; die Asyldebatte ist ein prominentes Beispiel. Und seit ein paar Jahren tropft es aus Bonn verdammt heftig. Andrea Dernbach