Attentat kurz vor Clinton-Besuch

■ Prominente Aristide-Gegnerin in Haiti erschossen

Port-au-Prince (taz) – Drei Tage vor dem Besuch von US-Präsident Bill Clinton und UN-Generalsekretär Boutros Boutros Ghali in Haiti wurde in Port-au-Prince eine der prominentesten Gegnerinnen von Präsident Jean-Bertrand Aristide erschossen. Zwei unbekannte Täter eröffneten am Dienstag nachmittag auf einer belebten Straße aus einem Taxi heraus das Feuer auf den Jeep der Anwältin Mireille Durocher Bertin. Die 35jährige Durocher und ihr Beifahrer starben auf der Stelle. Sie galt als eine der vehementesten Befürworterinnen des Militärcoups gegen Aristide. Unter dem Militärregime war sie für kurze Zeit Stabchefin des Marionettenpräsidenten Emile Jonaissant.

Über die Herkunft der Täter wird derzeit je nach politischer Couleur wild spekuliert. Für die politische Rechte ist der Mord das Werk radikaler Aristide-Anhänger und Indiz dafür, daß bei den kommenden Wahlen im Juni Sicherheit und Ordnung nicht garantiert sind.

Der prekäre Zeitpunkt des Anschlags deutet für viele andere jedoch darauf hin, daß mit dem Anschlag auf Durocher, die auch in rechten Kreisen zahlreiche Feinde hatte, gezielt Unruhe provoziert und die Regierung Aristides düpiert werden soll: Morgen trifft US-Präsident Bill Clinton in Haiti ein, um das Land sechs Monate nach der Landung US-amerikanischer Truppen und dem – abgefederten – Sturz der Militärjunta für „sicher und stabil“ zu erklären und die Verantwortung für die Mission an die UNO zu übertragen. Dies ist innerhalb kürzester Zeit der dritte offensichtlich politisch motivierte Anschlag. Am 3. März war der Aristide-Anhänger und Abgeordnete Eric Lamothe erschossen worden. Elf Tage später wurde der sozialistische Politiker Philippe Stevenson niedergeschossen.

Menschenrechtsgruppen wie „Human Rights Watch“ und die „National Coalition for Haitian Refugees“ haben in den letzten Tagen allerdings verschärft Kritik an der Clinton-Administration geübt – unter anderem, weil die paramilitärischen Gruppen nicht entwaffnet worden seien. Nicht zuletzt ehemalige Angehörige der Armee und paramilitärischer Gruppen werden für die steigende Anzahl von bewaffneten Überfällen und Raubmorden verantwortlich gemacht. Andrea Böhm