Eins und eins macht zwei

■ Fusion der Mitsubishi Bank und der Bank of Tokyo zum größten Geldinstitut der Welt ist auch nur eine Notlösung

Tokio (taz) – Die Finanzwelt jubelte, an der Börse stiegen die Kurse, und die Medien klatschten begeistert Beifall. Nach Erdbeben und Giftgasattacke, nach Dollarsturz und Börsenkrise war Japan einfach reif für eine gute Nachricht. Zwei Leute erkannten die Chance dieses Augenblicks und stellten sich deshalb am späten Dienstagabend in Tokio vor die Presse: „Japan braucht jetzt eine Bank, bei der man sich sicher fühlen kann und auf die man sein ganzes Vertrauen setzen kann“, versprach Tsuneo Wakai, Präsident der Mitsubishi Bank. Und sein Juniorpartner Tasuku Takagaki, Präsident der Bank of Tokyo, nickte dazu freundlich in die Kameras. So nichtssagend waren ihre Aussagen, und so groß die Reaktionen bis ins Ausland, daß sich die beiden Herren wohl nun zu Recht als die beiden mächtigsten Bankmanager der Welt bezeichnen können.

Ihre gute Nachricht war denkbar eingängig: Gemeinsam wollen Mitsubishi Bank und Bank of Tokyo spätestens bis zum April 1996 die größte Bank der Welt formen. Der Finanztitan, vorläufig Tokyo Mitsubishi Bank genannt, wird dann über ein Bankvermögen von über 1.000 Milliarden Mark verfügen, knapp soviel wie das Bruttosozialprodukt Großbritanniens.

Wakai und Takagaki bewiesen damit, daß selbst wenn nichts mehr zu gehen scheint, und die Deflation alle in die Enge treibt, der Kapitalismus immer noch eine Lösung bereit hält: nämlich größer werden und zumindest scheinbar wachsen. Dafür eignen sich Fusionen. Sie versprechen Aufsehen und Erregung auch dann, wenn noch nichts zusätzlich erwirtschaftet wird, und lenken von den alltäglichen Schwierigkeiten ab.

Tatsächlich verleitet die Titanenhochzeit zu kühnen Visionen: Die Mitsubishi Bank gilt als die solideste und bestgeführte japanische Bank. Als einzige fügt sie sich den amerikanischen Bilanzvorschriften und ist an der New Yorker Börse notiert. Börsenbaisse und Landspekulation in Japan hat sie mit der relativ geringen Summe von heute 25 Milliarden Mark an faulen Krediten überstanden. Vor allem aber ist die Bank das Herzstück des riesigen Mitsubishi-Keiretsu, der größten Unternehmensgruppe der Welt, und hat deshalb in den übrigen Mitsubishi-Unternehmen, vom Handelshaus bis zum Flugzeugbauer, ihre treuesten Kunden. In Japan gilt sie als allgegenwärtig bei Großprojekten und löst damit ein, was der Mitsubishi-Vorsitzende Kohei Mimura einst über seinen Konzern sagte: „Mitsubishi ist wie Luft: unsichtbar, aber überall vorhanden.“

Das gleiche gilt in geringerem Maß für die Bank of Tokyo, betrifft aber das internationale Finanzgeschäft. Denn die Bank of Tokyo ist Japans einziges wirklich internationales Geldinstitut. Mit ihren knapp vierhundert Auslandsniederlassungen begleitete die Bank of Tokyo jede neue japanische Exportwelle und verwaltete fast exklusiv die hohen japanischen Entwicklungshilfegelder. Als einzige japanische Bank zählt sie heute unter ihren Mitarbeitern mehr Ausländer als Japaner, und verfügt auch deshalb über ein weit größeres ausländisches Kundennetz als andere japanische Banken.

Kurz und gut: „Die beiden Banken mit dem besten Management in Japan sind zusammengekommen, um die Konkurrenz abzuhängen“, meint Shunsuke Motani, Finanzexperte der Deutschen Bank in Tokio. Doch einen Seitenhieb spart er nicht aus: „Eins und eins im Bankgeschäft macht auch nur zwei. Die möglichen Einsparungen bei zwei so großen Instituten sind nicht offensichtlich.“

Trotz aller neuen Größe bleiben nämlich auch Probleme: Zwei seit hundert Jahren etablierte Hierarchien müssen zusammenwachsen, ein unter dem japanischen Senioritätsprinzip besonders mühseliges Verfahren. Auch die Computersysteme müssen vereinheitlicht werden: Bei früheren Bankfusionen erwies sich das als ebenso kostspielig wie zweitaufwendig. Vor allem aber dürfte das Finanzministerium für seine jetzige Zustimmung zur Fusion einen hohen Preis verlangen: Später dürfte die neue Mega- Bank deshalb gezwungen sein, von den vielen kleineren japanischen Banken, die heute kurz vor dem Bankrott stehen, die eine oder andere zu übernehmen. Nur so kann das Finanzministerium sein Prinzip weiter aufrechterhalten, daß in Japan keine Bank Konkurs macht.

Zweifellos werden nun bald andere Fusionen folgen. Genausowenig wie in Japan auf Dauer ein Dutzend Autohersteller überleben können, wird es über die Jahre nicht bei den bisher elf großen City-Banken bleiben können. Georg Blume