Seehofers „Billiglösung“ für aidskranke Bluter

■ Industrie, Bund, Länder und DRK stiften 250 Millionen Mark

Berlin/Bonn (taz/AP/dpa) – Wer sich vor 1988 durch Blut oder Blutprodukte mit HIV infiziert hat, soll künftig mit einer Rente entschädigt werden. Zu diesem Zweck, erklärte Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) gestern, werde eine freiwillige Stiftung geschaffen, an der sich Bund, Länder, die Pharmaindustrie und das Deutsche Rote Kreuz beteiligen. Ausgestattet werden soll diese Stiftung mit 250 Millionen Mark. Geplant war eigentlich ein Entschädigungsfonds in Höhe von 700 Millionen Mark. Ein Stiftungsgesetz soll nach Angaben Seehofers noch vor der Sommerpause verabschiedet werden.

Dann zahle der Bund 100 Millionen Mark in die Stiftung ein. Das Deutsche Rote Kreuz steuert weitere 9,2 Millionen bei, die Länder zahlen 50 Millionen Mark. Die beteiligten Pharmaunternehmen, zu denen unter anderem die Behring-Werke in Mannheim, die Bayer-Werke in Leverkusen und die in Deutschland ansässigen US-Firmen Alpha und Baxter gehören, wollen rund 90 Millionen Mark einzahlen. Seehofer wörtlich: „Mehr ist auf freiwilliger Ebene nicht zu machen.“ Ursprünglich, so sah es zumindest der parlamentarische Bluter-Untersuchungsausschuß vor, sollte sich die Industrie mit 60 Prozent an Entschädigungszahlungen beteiligen. Der Vorsitzende der AG Plasmaderivate herstellender Unternehmen, Roloff Johannsen, betonte, die Zahlungen seien kein Schuldeingeständnis der Industrie.

Die mehr als 2.000 Menschen, die sich vor 1988 über Blut und Gerinnungsmittel mit HIV infiziert haben, sollen rückwirkend ab dem 1.1. 1994 Renten erhalten: Aidskranke 3.000 Mark im Monat, infizierte Personen 1.500 Mark. Auch die rund 450 Unterhaltsberechtigten der Infizierten sollen entschädigt werden.

SPD, Grüne, die Aids-Hilfe und die Deutsche Hämophilie-Gesellschaft kritisierten die Ausstattung des Fonds gestern als völlig unzureichende „Billiglösung“. Monika Knoche, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, erklärte, Seehofer sei „vor der bodenlosen Arroganz der Pharmaindustrie endgültig in die Knie gegangen“. Den Opfern werde der Anspruch auf Entschädigung vorenthalten, statt dessen würden sie mit humanitärer Hilfe zu Almosenempfängern degradiert. Der SPD-Gesundheitsexperte Horst Schmidbauer forderte Seehofer auf, weiter mit der Industrie zu verhandeln, um eine höhere Beteiligung zu erreichen. flo