: Glaube versetzt Bergepanzer
■ Bonn stoppt Militärhilfe an die Türkei, glaubt aber weiter, im Irak werde kein deutsches Gerät eingesetzt
Bonn (taz/AP/rtr/dpa) – Nach anhaltender Kritik an ihrer Türkei-Politik hat die Bundesregierung nun auch die letzte fällige Teillieferung von Rüstungsgütern an den Nato-Partner gestoppt. Allerdings glaubt Außenminister Klaus Kinkel (FDP) „bis zum Beweis des Gegenteils“ weiter die Beteuerungen aus Ankara, wonach bei der türkischen Militäraktion gegen die PKK im Nordirak keine deutschen Waffen eingesetzt werden. Regierungsparteien und die SPD forderten gestern nach einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses Druck auf Ankara und gleichzeitig Anreize mit dem Ziel, die Türkei enger an Europa zu binden.
Oppositionsabgeordnete bezeichneten die Entscheidung der Regierung gestern als richtig, aber ungenügend. Die bündnisgrüne Abgeordnete Angelika Beer forderte, Bonn müsse „jede Art der militärischen Unterstützung der Türkei sofort und endgültig einstellen“. Der SPD-Abgeordnete Gerd Weisskirchen erklärte, sofern dem Lieferstopp nicht weitere Schritte folgten, bedeute er lediglich ein „taktisches Manöver“. Vom vorläufigen Lieferstopp sind Rüstungsgüter im Wert von rund 150 Millionen Mark betroffen. Es handelt sich um Berge- und Brückenlege-Panzer, Pioniergerät, Krankenwagen, Boote und Ersatzteile.
Anfang der Woche hatten die Regierungsfraktionen entschieden, eine Haushaltssubvention von 150 Millionen Mark für den Bau von zwei Fregatten auf deutschen Werften vorerst einzufrieren. Als Reaktion drohte Ankara mit einem Verzicht auf die Bestellung der beiden Kriegsschiffe im Wert von insgesamt 840 Millionen Mark, von denen die Türkei 690 Millionen bezahlen wollte.
Nach der Entscheidung über den Lieferstopp forderte der SPD-Außenpolitiker Karsten Voigt, der Westen müsse den Dialog mit der Türkei suchen und bei einer politischen Lösung helfen. Der bündnisgrüne Abgeordnete Gerd Poppe forderte eine europäische Initiative mit dem Ziel, die Gewaltanwendung der türkischen Regierung gegen die Kurden zu beenden.
Außenminister Kinkel verlangte von Ankara wieder einen schnellstmöglichen Rückzug aus dem Irak sowie den Schutz der Zivilbevölkerung und die Beachtung der Menschenrechte. Über eine mögliche Einschaltung der UNO in den Kurden- Konflikt wird laut Kinkel bereits verhandelt. Die kurdische Forderung nach kultureller Autonomie sei berechtigt und verdiene Unterstützung, sagte der Minister.
Nach einem Bericht des ARD-Magazins „Monitor“ nutzt das türkische Militär beim Kampf gegen die PKK im Nordirak die Daten US-amerikanischer Aufklärungsflugzeuge vom Typ Awacs, die im UN-Auftrag die Flugverbotszone auch zum Schutz der Kurden überwachen. Grundlage für den Zugang zu den US-Daten sei ein Geheimvertrag.
Zeugen präsentierten gestern neue Hinweise für den Einsatz deutscher Waffen in Kurdistan. Ein Schweizer Ingenieur, Mitglied von „medico international“, erklärte in Bonn, er habe in einer Zone von 15 bis 45 Kilometern vor der irakischen Grenze Leopard-Kampfpanzer, Marder- Schützenpanzer, BTR-Panzer der NVA und Lastwagen gesehen. Das Auswärtige Amt wies Vorwürfe zurück, wonach die deutsche Botschaft in Ankara sich anfänglich nicht um eine Gruppe von festgenommenen Bremer Menschenrechtlern gekümmert habe. Sie hatten in der Türkei zwei Tage unter Hausarrest gestanden und sind inzwischen wieder in der Bundesrepublik. mon
Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen