Politrentner wollen ruhigen Lebensabend

■ Mit einer Sonderregelung soll Ostberliner Abgeordneten die Staatsrente erhöht werden / Protest der SPD-Basis

Eine Handvoll aufrechter Sozialdemokraten versucht, einen sich anbahnenden Diätenskandal im Abgeordnetenhaus zu verhindern. Der Kreis Tempelhof will auf dem heute stattfindenden SPD-Parteitag erreichen, daß die Abgeordnetenhausfraktion eindeutig Farbe bekennt und sich gegen eine Erhöhung staatlicher Rentenzahlungen an ehemalige Parlamentarier ausspricht.

Denn hartnäckig hält sich das Gerücht, daß eine Gruppe um Tino Schwierzina (SPD) und Beate Hübner (CDU) hinter den Kulissen eine Sonderregelung für Abgeordnete aus dem Ostteil der Stadt durchsetzen will. Waren sie Parlamentarier in der Ostberliner Stadtverordnetenversammlung, sollen sie in den Genuß einer sogenannten Altersentschädigung kommen, die ihnen per Landesabgeordnetengesetz gar nicht zusteht. Nutznießer wären mehr als drei Dutzend Politiker aller fünf Parteien – mit einem Drittel davon aber besonders die SPD.

Das Vorhaben der Ostabgeordneten ist völlig unverständlich. Zwar kommen sie nicht auf die nötigen sieben Jahre, die Voraussetzung für den Erhalt der Altersentschädigung von monatlich 2.240 Mark ab dem 63. Lebensjahr wären. Dennoch werden die fünf Jahre ihrer Abgeordnetenzeit für Rente und Pension genauso anerkannt, als wenn die Politiker in privaten Unternehmen oder öffentlichen Verwaltungen angestellt oder als Beamte tätig gewesen wären. Sie brauchen nur einen entsprechenden Antrag beim Abgeordnetenhaus zu stellen, schon werden rückwirkend für die erhaltenen Diäten die Rentenbeiträge an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gezahlt.

Die Abgeordneten können sich diesen Betrag von 54.000 Mark sogar auf Wunsch in bar auszahlen lassen. Eine Regelung, die speziell für Beamte geschaffen wurde, weil diese Berufsgruppe von Einzahlungen bei der Bundesversicherungsanstalt nicht profitieren würde. Beamte können ihre Abgeordnetentätigkeit bei Vater Staat auch als Dienstzeit anrechnen lassen, so daß sie auf ihre volle Pension kommen.

Haben Abgeordnete selbst in die Renten- oder Pensionskasse eingezahlt – etwa weil sie nebenher einem Beruf nachgegangen sind –, stockt das Abgeordnetenhaus die Beiträge in den Fällen auf, in denen die Nebeneinkünfte geringer als die Diäten ausgefallen sind.

Für 1995 und 1996 sind an Versorgungsleistungen für ehemalige Abgeordnete jeweils 5,5 Millionen Mark im Landeshaushalt eingeplant. Altersentschädigung erhalten ehemalige Parlamentarier, sobald sie dem Abgeordnetenhaus länger als sechs Jahre und 182 Tage angehörten. Mit der Dauer der Zugehörigkeit nimmt die Entschädigung von 45 Prozent der Diäten auf bis zu 75 Prozent zu – eine Summe von 3.700 Mark, die bereits ab dem 55. Lebensjahr ausgezahlt wird, wenn der „Rentner“ länger als zwölf Jahre im Parlament gesessen hat.

Offiziell bestreiten alle Fraktionen, daß sie zugunsten ihrer Ostberliner Mitglieder das Landesabgeordnetengesetz ändern wollen. Ein Dementi, dem in der SPD nicht einmal der Tempelhofer Kreisvorsitzende Ekkehard Band vertraut: „Wir wollen vorsorglich einen Beschluß.“ Dirk Wildt