Zielgruppen-Test

■ Ein bundesweit beachtetes Experiment? Drei Wochen lang sendete der neue Ballungsraum-Sender "TV Baden" ein ganz unerwartetes Testbild-Programm

Würde das Ganze nicht in Baden spielen, könnte man es für einen ausgewachsenen Schwabenstreich halten: Vor fast drei Wochen ging nach vollmundigen Ankündigungen und einigen Verzögerungen in Karlsruhe endlich TV Baden auf Sendung, eines der ersten Ballungsraumfernsehen in Baden-Württemberg. Staatsminister Erwin Vetter bezeichnete das als ein „bundesweit zu beachtendes Experiment“, das nicht auf einem bloßen Abspielen von zugekauften Produktionen aufbaue.

Ambitionierte Ankündigung seitens der Macher: Man orientiere sich am erfolgreichsten Programmanbieter dieser Gattung in den USA, New York One, der auf eine Tagesreichweite von bis zu 80 Prozent der technisch erreichbaren Zuschauer kommt. „TV Baden hat den Ehrgeiz, im mittelbadischen Ballungsraum Karlsruhe an diese Erfolge anzuknüpfen“, verkündete Geschäftsführer und Programmchef Bernd Schumacher Monate vor Sendebeginn. Aber Karlsruhe ist eben nicht New York, und seit der bombastischen Eröffnungsfeier flackert statt dem angekündigten 20-Stunden-Programm ein Dauertestbild vor sich hin, und die angepeilten 600.000 Zuschauer schauen in die Röhre.

„Kinderkrankheiten“ seien das, wiegelt Schumacher ab. Diese Kinderkrankheiten sind aber recht ausgewachsener Natur und verursachten einige hunderttausend Mark Schaden. Die Technik ist natürlich angeblich mal wieder schuld an allem, dabei wurde sie von einem „weltweit bekannten deutschen Unternehmen“ installiert. Per Handbetrieb würde alles zwar funktionieren, aber Handarbeit sei eben nicht professionell, meint Schumacher. Und so wurden die rund 40 Mitarbeiter des Privatsenders erst einmal in Urlaub geschickt. Das vollmundig angekündigte Programm ließ auf sich warten, und die Werbekunden, die ihre Spots bereits eingebucht hatten, wurden auch vertröstet. Immerhin acht Kurzwerbeinseln pro Stunde waren geplant, die Einzelschaltung à fünf Sekunden für 50 Mark, „Tagespakete“ mit zwölf Schaltungen für 300 Mark.

Ansonsten orientiert sich das Programm, das bis jetzt nur auf dem Papier zu sehen ist, am amerikanischen Vorbild: Format vier mal fünfzehn Minuten. Der Zuschauer soll nicht lange dabeibleiben, sondern möglichst oft einschalten. Nach drei Wochen Testbild haben die meisten allerdings inzwischen abgeschaltet – und damit einiges verpaßt. Letzte Woche wurde das Programm nämlich abwechslungsreicher, plötzlich gab es Werbeblöcke zu sehen, und die wurden übrigens nicht per Handarbeit abgefahren... Womit sich die interessante Frage stellt: Ist das Testbild womöglich nur ein Trick, Mitarbeiter einzusparen? Programmchef Schumacher will jedenfalls mit einem Jahresetat von unter zehn Millionen Mark innerhalb der nächsten drei Jahre kostendeckend arbeiten. Einer der Gesellschafter von TV Baden – gleichzeitig Geschäftsführer einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – ist allerdings bekannt dafür, daß er bereits einige Privatradios in Tübingen ins Aus manövriert hat, und so darf man auf den für heute angekündigten zweiten Start gespannt sein. Seit Montag abend gibt's übrigens außer Werbung und Testbild immerhin abends noch einen „Aufklärungsfilm“ in Sachen Technik zu sehen ... selbstproduziert. Caro Wenzel