Kriminalitätsbekämpfung durch Wohnheimschließung

■ Nur zwei Wohnheime für VietnamesInnen in Berlin bleiben erhalten / BewohnerInnen und Unterstützerverein kritisieren geplante Schließungen

Die Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John (CDU), möchte die vietnamesischen Wohnheime in den Ostberliner Bezirken Marzahn und Hohenschönhausen schließen. Dafür hatte sie sich bereits nach dem letzten Mord an einem Vietnamesen Anfang März ausgesprochen. In dem Marzahner Wohnheim Gehrenseestraße, in dem offiziell 560 Personen leben, hat sich daraufhin eine Interessenvertretung der BewohnerInnen gegründet, die sich gegen die beabsichtigte Schließung wehrt. „Hier fühlen wir uns sicherer als in Privatwohnungen. Bei Polizeiübergriffen und bei Erpressungsversuchen durch die Mafia können wir hier immer jemanden zu Hilfe rufen“, nennt die Vietnamesin Van Thi Kim Dung einen der wichtigsten Gründe für ihren Wunsch zu bleiben.

Bei einem Treffen mit der Ausländerbeauftragten und der Betreibergesellschaft des Wohnheimes, Arwobau, erhielten die BewohnerInnen die Zusicherung, daß das Heim in der Gehrenseestraße erhalten werde. „Wir wollen das Wohnheim langfristig sanieren. An eine Schließung ist nicht gedacht“, versichert der Ausländerbeauftragte der Arwobau, Gerd Neubert. Gemeinsam mit den BewohnerInnen soll ein Konzept abgestimmt werden, das Einlaßkontrollen zur Bekämpfung der Kriminalität vorsieht – zum Schaden der nicht legal in den Heimen lebenden VietnamesInnen. Illegale seien erpreßbar, meint Neubert, und dadurch der „Schwachpunkt, an dem die Mafia ansetzt, um in die Heime zu gelangen“. Seitdem die Einführung von Einlaßkontrollen angekündigt wurde, sind nach Angaben Neuberts bereits elf Wohnungen von den BewohnerInnen geräumt worden. Neben dem Wohnheim in der Gehrenseestraße wurde auch den BewohnerInnen des Lichtenberger Heimes in der Rhinstraße ein langfristiger Erhalt der Wohnungen zugesichert.

Anders sieht es in der Havemannstraße aus. Ein Trakt wurde von der Arwobau bereits im Januar an die Marzahner Wohnungsbaugesellschaft zurückgegeben. Der Block, in dem Mittwoch nacht die Morde geschahen, wird schon Ende April aufgelöst. Zwei weitere Heime werden bis Ende Juli geräumt. „Wir hatten befristete Verträge mit den Wohnungsbaugesellschaften, die jetzt nach und nach auslaufen. Wir sind verpflichtet, die Gebäude leer zu übergeben“, begründet Neubert die Auflösungen der Heime.

„Für die Vietnamesen ist diese Situation sehr problematisch, weil dadurch die einzige Möglichkeit der gemeinsamen Freizeitgestaltung wegfällt“, kritisiert Tamara Hentschel vom deutsch-vietnamesischen Verein „Reistrommel“ die Schließungen. Zudem sei in den Heimen, die bereits 1990 und 1991 geräumt wurden, von den Wohnungsbaugesellschaften noch nicht einmal mit der Sanierung begonnen worden, so Hentschel weiter. Hentschel räumt ein, daß die Lebensqualität in den Heimen „katastrophal“ sei. Nach Schätzungen leben in den Gebäude ungefähr viermal mehr Personen als offiziell gemeldet sind. Die Sanitäranlagen, Gas- und Stromleitungen sind defekt. „Es ist ein Wunder, daß es in den Heimen nicht häufiger zu Gewalttaten kommt, wenn man sich ansieht, wie viele Menschen dort auf engstem Raum zusammenleben“, meint Hentschel. Gesa Schulz