Krieg in der Zigarettenmafia

■ Bei einer Schießerei in einem Berliner Ausländerwohnheim starben fünf VietnamesInnen

Berlin (taz) – Die Auseinandersetzungen in der „Zigarettenmafia“ eskalieren: In einem Berliner Ausländerwohnheim sind in der Nacht zu Donnerstag fünf VietnamesInnen erschossen worden. Zwei weitere wurden schwer verletzt, ein Überlebender schwebte gestern nachmittag noch in Lebensgefahr. Nach Ansicht der Mordkommission geht die Tat auf das Konto rivalisierender Banden vietnamesischer Zigarettenhändler, konkrete Hinweise dafür gebe es aber nicht. Mehrere andere Tötungsdelikte unter Vietnamesen in den vergangenen Jahren ließen aber darauf schließen. Derzeit werde noch in alle Richtungen ermittelt.

Nachbarn berichteten, sie hätten vor dem Wohnheim mehrfach polnische Fahrzeuge gesehen, aus denen unverzollte Zigaretten in das Gebäude gebracht wurden. Obwohl die Heimbewohner die Schüsse gehört haben müssen, schweigen mögliche Zeugen bisher – wahrscheinlich aus Angst. Auch konnte die Identität der Opfer noch nicht ermittelt werden. Erst am Donnerstag letzter Woche war in demselben Wohnheim eine 36jährige Vietnamesin durch mehrere Schüsse lebensgefährlich verletzt worden.

Die Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John, forderte unterdessen Polizeischutz für die Heime. Bereits nach dem letzten Mord hatte sie sich für die Schließung der Wohnheime in Marzahn und Hohenschönhausen ausgesprochen. Wie John bei einer Besichtigung des Tatorts erklärte, sollen in dem Wohnheim nur noch wenige der dort offiziell gemeldeten 170 VietnamesInnen wohnen. Statt dessen würden sich dort rund 800 Personen illegal aufhalten — eine perfekte „Helferstruktur für die Zigarettenmafia“.

Von seiten der HeimbewohnerInnen hat es in der Vergangenheit bereits Gespräche mit dem Landeskriminalamt in Brandenburg und der Berliner Polizei gegeben.

Beabsichtigt war, den Aufenthaltsstatus der ehemaligen Vertragsarbeiter zu legalisieren, damit diese von ihren Landsleuten nicht mehr erpreßt werden können.

Tagesthema Seite 3