Brennwert boomt in Berlin

Neue Heizkesseltechnik nutzt bis zu 20 Prozent mehr Energie / Kosten und Abgase werden erheblich gesenkt / Das Abwasser neutralisiert sich selbst  ■ Von Lars Klaaßen

Energie und Ökologie – wer sich darüber Gedanken macht, hat oft Solarzellen und Windräder im Sinn. Doch bis diese alternativen Energien umfassend genutzt werden, kann es noch dauern. Solange steht die Frage im Raum, wie auch fossile Energiequellen effektiv genutzt werden können, ohne die Umwelt allzu stark zu belasten. Die Antwort lautet: Brennwertkessel. Mit diesem Gerät werden Energieverbrauch und Abgase reduziert. Der Markt boomt daher.

Mit Brennwertkesseln kann geheizt und Wasser erwärmt werden. Die Geräte gelten als modernste Heizkesseltechnologie zum Verbrennen von Erdöl und Erdgas. Eines der wesentlichen Merkmale ist die niedrige Umlauftemperatur des Heizsystems. Während konventionelle Kessel mindestens 60 Grad benötigen, kann sie bei Brennwertkesseln auf etwa 30 Grad heruntergedrückt werden. Das sind sogar noch fünf Grad weniger, als mit herkömmlicher Niedertemperaturtechnik bisher erreicht wurde. Gerade dieser Temperaturunterschied ist entscheidend: Die Abgase können kondensiert werden. Die dadurch freigesetzte Energie wird in das Heizungssystem zurückgeleitet.

Gas bringt doppelt soviel Energiegewinn wie Öl

„Diese Kondensationswärme beträgt bei Gas elf Prozent der gesamten Wärmemenge, die bei der Verbrennung entsteht“, weiß Christian Matiack vom BUND Berlin. „Bei Öl hingegen liegt dieser Anteil nur bei sechs Prozent.“ Ein weiteres Problem beim Einsatz dieses Rohstoffes: Das Kondensat ist so aggressiv, daß der Schornstein darunter leiden kann. Deshalb wird Erdgas in der Brennwerttechnik favorisiert. Es ist nahezu schwefelfrei, was die Entsorgung vereinfacht.

„Auch das Abwasser der Gasheizungen ist sauer, kann bei kleineren Anlagen aber trotzdem ohne weiteres abgelassen werden“, versichert Herbert Schmitz. Der Beratungsingenieur der Gesellschaft für rationelle Energieverwendung erklärt auch, warum das so unproblematisch ist: „Haushaltsabwässer sind mit Wasch- und Reinigungsmitteln versetzt, sie sind also alkalisch und neutralisieren daher das Kondensat.“ So stellt sich das Problem der Aufbereitung nur bei größeren Anlagen.

Die Energieausnutzung von Brennwertkesseln liegt knapp 10 beziehungsweise fast 20 Prozent über der von Niedertemperaturanlagen und konventionellen Geräten. Das macht die Brennwertkessel auch für viele private Hausbesitzer interessant. Was in Frankreich und den Niederlanden schon seit den 70ern verbreitet ist, kommt nun auch in Berlin groß raus: „Die Auftragslage für diese Geräte war in den letzten drei Jahren so gut, daß wir teilweise mit den Lieferungen nicht mehr hinterherkamen“, freut sich Stefan Zeich, der für die Firma Viessmann im Außendienst tätig ist. Selbst nachdem die Förderung des Landes Berlin 1991 ausgelaufen sei und auch Bonn ein Jahr später die Subventionierung der Brennwertkessel einstellte, habe sich der jährliche Zuwachs in Sachen Brennwert bei rund 25 Prozent eingependelt, frohlockt Zeich. Doch Schmitz warnt: „Ein Neubau ist zwar unproblematisch, Schwierigkeiten kann es aber bei der Umrüstung alter Heizsysteme geben.“ Da die Umlauftemperatur der Heizung sehr niedrig sein muß, um die optimale Energieausnutzung zu erreichen, ist die Größe der Heizkörper sehr wichtig. Sind sie zu groß, tritt trotz des Brennwertkessels nicht die gewünschte Ersparnis ein.

Billig ist eine Brennwertanlage ohnehin nicht. „Mit dem Einbau einer Heizung ist es oft nicht getan“, so Torsten Mezger. Der Ingenieur von der gemeinnützigen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Atlantis hat Erfahrung mit der Installierung von Brennwertanlagen: „Bei zwei Gebäuden in Kreuzberg, mit einer Nutzfläche von 6.200 Quadratmetern, entstanden Kosten von einer Million Mark.“ Ein Drittel davon wurde für neue Fenster ausgegeben. Brennwertkessel einzubauen, ohne sich auch um den Rest zu kümmern, sei sinnlos, betont der Atlantis-Ingenieur.

Raumwärme schluckt 74 Prozent der Energie

Viele Westberliner können noch gar nicht auf Brennwerttechnik umsteigen – ob sie wollen oder nicht. Zur Zeit ist die Umstellung vom künstlich erzeugten Stadtgas auf Erdgas im westlichen Stadtteil noch voll im Gange. „Bis April 1996 werden wir das gesamte Netz auf Erdgas umgestellt haben“, versichert Herbert Schulte von der Gasag. Der Betrieb von Brennwertkesseln mit Stadtgas ist zwar technisch durchaus möglich. Weil 1996 damit aber sowieso Schluß ist, gibt es mittlerweile keine Anbieter mehr, die entsprechende Geräte herstellen.

„Für die dezentrale Nutzung, wie in Einfamilienhäusern, gibt es zur Zeit keine bessere Alternative als Brennwertkessel“, räumt Dag Schulze von Greenpeace Berlin ein. Doch ihm schweben weitergehende Konzepte vor: „Bei einer Siedlung mit rund 100 Wohneinheiten wäre ein Nahwärmenetz ökologisch sinnvoller.“ Solange jedoch nicht in größeren Dimensionen geplant werde, bleibe die Brennwerttechnik für den einzelnen der einzige Lichtblick. Immerhin könne auch dieses System mit Solarenergie gekoppelt werden. Auch German Lewizki, Greenpeacler und Mitorganisator der Ausstellung „Klimakiller Bau“ (Haus der Kulturen der Welt) hält den Brennwertkessel für den besten unter den schlechten: „74 Prozent des Energieverbrauchs in den Berliner Haushalten werden für Raumwärme verbraucht. Da kann kurzfristig nur Brennwerttechnik etwas verbessern.“ Darüber hinaus müsse die Lösung bei den alternativen Energien gesucht werden.

Beratungen zum Brennwertkessel bei der Gesellschaft für rationelle Energieverwendung, Telefon 301 60 90, und der Verbraucherzentrale, Telefon 21 90 70.