Kraftwerk im Keller

Raumwärme als hocherwünschtes Abfallprodukt dezentraler Stromproduktion / Leise Klimaschoner  ■ Von Volker Wartmann

Ein Kraftwerk vor der Haustür möchte niemand, dennoch wollen manche unbedingt eins im eigenen Keller haben. Dort ließen sich Strom und Wärme kostengünstiger, energiesparender und damit umweltfreundlicher erzeugen, sagen sie. Denn von der eingesetzten Primärenergie, zum Beispiel Gas oder Kohle, wird in einem konventionellen Elektrizitätswerk nur rund ein Drittel in Strom umgewandelt. Der riesige Rest wird als Wärme einfach an die Umwelt abgegeben. Nicht nur, daß diese Hitze für jegliche weitere Nutzung verlorengeht, sie wirkt sich auch noch negativ auf die Umwelt aus. Auf dem Rücken treibende Fische in der Nähe von Kraftwerken sind nur ein direkt sichtbares Beispiel.

„Bei uns dagegen liegt der Primärenergie-Nutzungsgrad bei über 90 Prozent“, sagt Frank Dietrich, Mitglied der Sanierungsgemeinschaft Tucholskystraße 22-24 in Berlin-Mitte. Der Strom für die zwölf Wohneinheiten mit etwa 1.500 Quadratmeter Wohnfläche wird mit Hilfe eines im Keller installierten Blockheizkraftwerks (BHKW) erzeugt. Die Motivation für den Einbau war nach Dietrichs Angaben die Suche nach einer rationelleren Energieerzeugung. Er verspricht sich durch das eigene BHKW „ein direkteres Verhältnis zum eigenen Strom“. Die HausbewohnerInnen sind als Betreiber des BHKW ihre eigenen Kunden.

Blockheizkraftwerke funktionieren nach dem Prinzip der Kraft- Wärme-Kopplung. Das heißt: Strom und Wärme werden parallel produziert. Statt der getrennten Bereitstellung von Strom und Wärme durch Großkraftwerke und separate Wärmeerzeuger wird bei BHKWs die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme genutzt. Als Antrieb dient ein gasgetriebener Ottomotor. Dieser treibt einen Generator an, mit dessen Hilfe der Strom erzeugt wird. Die anfallende Hitze wärmt das Wasser und die Heizkörper.

„Dieses BHKW ist auf ungefähr ein Drittel der Spitzenleistung ausgelegt, das heißt, daß bei großem Wärmebedarf an kalten Wintertagen ein Drittel davon über das BHKW abgedeckt wird.“ Auf das Jahr gerechnet, würden mit dem BHKW aber stolze 75 Prozent des Gesamtwärmebedarfs abgedeckt, erklärt Jan Kröger, Elektrotechnik-Ingenieur bei SYRIUS. Das Ingenieur-Büro hat das kleine BHKW in der Tucholskystraße geplant und installiert. Der über die Kapazitätsgrenzen hinausgehende Wärmebedarf ist über einen zusätzlichen Wärmekessel gesichert. Zudem ist das Haus weiterhin an das öffentliche Elektrizitätsnetz der Bewag angeschlossen, über das zeitweilige Stromlastspitzen abgedeckt werden. Im Gegenzug wird überschüssiger Eigenstrom für zwölf Pfennige pro Kilowattstunde ins Netz eingespeist. „Auf das gesamte Jahr gerechnet, wird mehr Strom ins Netz der Bewag eingespeist als von ihr bezogen“, versichert Jan Kröger.

„In acht bis zehn Jahren wird sich unser BHKW vollständig amortisiert haben“, so Frank Dietrich. Dabei sind sämtliche Investitionskosten ebenso einberechnet wie der über zehn Jahre abgeschlossene Vollwartungsvertrag mit dem Hersteller. Zusätzlichen Arbeitsaufwand macht das BHKW den BetreiberInnen nicht. Bis auf wenige Wartungsarbeiten läuft sein Betrieb vollautomatisch.

Und das kleine Kraftpaket braucht nicht einmal viel Platz: etwa soviel wie ein gewöhnlicher Wärmekessel. Und in vollem Betrieb sei das Blockheizkraftwerk immer noch leiser als ein Staubsauger, beteuern die Bewohner der Tucholskystraße.

„Durch den hohen Nutzungsgrad hat man eine Primärenergieeinsparung von 30 Prozent sowie einen um die Hälfte reduzierten Kohlendioxid-Ausstoß“, weist Jan Kröger auf die wesentlichen Vorteile dieser Form der Energieversorgung hin: „Und bei über 2.000 Quadratmeter Wohnfläche lohnt sich der Neueinbau einer BHKW beispielsweise bei Heizungserneuerungen auch wirtschaftlich auf jeden Fall.“ Dennoch sieht er bisher noch keinen entscheidenden Trend zu vermehrter Anwendung dieser Art sparsamer, mittelfristig kostengünstiger, dezentraler Energieversorgung. Dem Elektrotechnik-Ingenieur sind nur rund zehn nichtgewerbliche oder nichtindustrielle Projekte in Berlin bekannt, die diese Möglichkeit dezentraler, rationeller Energieversorgung nutzen. Wie der Mehringhof und die Osloer Fabrik seien es bisher hauptsächlich Alternativprojekte.

„Der Bedarf ist da, aber nicht die Nachfrage“, analysiert Jan Kröger die aktuelle Marktlage. Obwohl sich die Energieversorgung durch BHKWs wirtschaftlich rechne und dabei zu wesentlichen Energieeinsparungen führe, seien noch viele Informationsdefizite aufzuarbeiten, sei viel Überzeugungsarbeit bei potentiellen Anwendern und Bauherren zu leisten. SYRIUS kann auf diesem Gebiet bereits Erfolge vorweisen: Die Zusammenarbeit mit der Wohnungsbaugesellschaft GSW trägt erste Früchte. Die GSW wird in naher Zukunft ihre MieterInnen in der Lenbachstraße in Friedrichshain mit Strom und Wärme aus einem BHKW versorgen. Dabei wird die GSW als Betreibergesellschaft fungieren, die den Strom zu Markt-, sprich: Bewag-Preisen an ihre MieterInnen verkaufen wird. Auch wenn der Stromverkauf an Dritte, wie in diesem Fall, aufgrund eines immer noch gültigen Energiewirtschaftsgesetzes von 1935 erst vom Wirtschaftssenat genehmigt werden muß, stellt diese Form der Betreibergesellschaft in den Augen Jan Krögers ein in der Zukunft weiter ausbaufähiges Modell dar: Eine Betreibergesellschaft übernimmt die Investitionen, wodurch den NutzerInnen auch während der Amortisationsphase zusätzliche Kosten erspart bleiben. Angesichts dieser möglichen Perspektive führt sich die Bewag nach seinen Angaben schon heute so auf, als würde ihr Stromversorgungsmonopol ernsthaft unterwandert.

„Vom energetischen Standpunkt betrachtet, sind dezentrale BHKWs den zentralen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen aufgrund der geringeren Verteilungs- und Bereitstellungsverluste überlegen“, erklärt Jan Kröger. Trotzdem betrachtet er die Fernwärme in seiner „Philosophie“ nicht als konkurrierendes System. Vielmehr sieht er die Einsatzmöglichkeiten von dezentralen BHKWs vor allem dort, wo bei Neubau- oder Sanierungsmaßnahmen keine Anschlußmöglichkeiten an zentrale Fernwärmesysteme bestehen. „Solange immer noch fossile Energieträger verwendet werden, muß man sie wenigstens effizienter nutzen als bisher. Und BHKWs stellen hierfür als mittelfristige Lösung eine sinnvolle Übergangstechnologie dar, die sich auch wirtschaftlich rechnet.“