Vranitzky wechselt aus

■ Politikverdrossene SPÖ-Oldies müssen in Wien jungen Hoffnungsträgern als Minister weichen

Wien (taz) – Österreichs sozialdemokratischer Bundeskanzler Franz Vranitzky versucht den Befreiungsschlag: Gestern gab er den Rücktritt von vier Ministern der sozialdemokratischen Regierungsriege bekannt – damit scheidet die Hälfte der SPÖ-Kabinettsmitglieder aus dem Kabinett der großen Koalition mit der ÖVP aus.

Bei allen handelt es sich um langgediente, mit einer Ausnahme auch höchst politikverdrossene Politiker. Vor allem der Abgang von Franz Löschnak sorgt für Aufsehen: Als Innenminister hatte der 55jährige mit seiner rigiden Ausländerpolitik die fremdenfeindlichen Forderungen Jörg Haiders weitgehend erfüllt – Haider nannte ihn zuletzt gar „meinen Mann in der Regierung“. Löschnaks Behörde konnte bei der Fahndung nach neonazistischen Terroristen kaum Erfolge verzeichnen.

Eine Totalreform der SPÖ-Riege war seit der katastrophalen Wahlniederlage vom Oktober wahrscheinlich geworden. Die SPÖ war bei einem historischen Tief von 35 Prozent gelandet, gefolgt von der konservativen ÖVP mit 27,7 und Haiders FPÖ mit 22,6 Prozent.

Für die Nachfolge der drei Minister aus den „klassischen“ Ressorts sind drei junge Politiker im Gespräch, die das links-liberal-modernistische Spektrum der SPÖ repräsentieren: Rudolf Scholten (Finanzen), Peter Kostelka (Inneres) und Caspar Einem (Soziales). Ihre Ernennung wäre sowohl ein Signal an aufgeklärt-bürgerliche Schichten wie an grüne Wähler. Robert Misik

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