'Manchmal brauch ich heile Welt'

■ Golf-Club Oberneuland verdreifacht sein Gelände. Und wo bleibt der Naturschutz? Und die Öffentlichkeit? Immerhin: 750 neue Bäume.

Wenn Architekt Klaus Claußen mal wieder eine Woche über einem Wettbewerb gebrütetet hat, steht er mit steifen Beinen vom Schreibtisch auf. Dann ist er reif für den Golfplatz. Denn ohne Golfschläger geht Claußen halt einfach nicht gern spazieren. Die blau-grün-karierte Hose an, ins Auto gestiegen und raus zur Oase, dem Golfplatz in Oberneuland. Dort empfängt ihn eine künstliche Landschaft mit Hügeln und vier Millimeter kurzem Rasen. Manchmal, schwärmt Claußen, rennen Fasanen und Bläßhühner über die weite Fläche.

NaturschützerInnen sehen sowas mit Grausen. Und nun will der Golf-Club seine Fläche auch noch verdreifachen! Der Rasen werde gedüngt wie in der Landwirtschaft und dazu noch so kurz geschoren, daß kein Lebewesen mehr dort leben möge, schimpfen NaturschützerInnen über Golfplätze. „Ach was“, sagt Klaus Claußen, „wir haben im letzten Jahr für das ganze Gelände von 17 Hektar nur 1.700 Kilo Dünger gekauft, das ist das, was ein Bauer auf zwei Hektar schmeißt.“ Und schon wären wir im schönsten Streit.

Sind wir aber nicht. Denn solche Auseinandersetzungen haben Golf-Club und Umweltschutzbehörde schon hinter sich. Ergebnis: Der Golf-Club Oberneuland darf seinen Platz von 17 auf 45 Hektar erweitern. Bislang bespielt er nur das Gelände beim Achterdieksee. Hinzukommen sollen die Wiesen und Maisfelder rund um den Brillensee nordöstlich des Ikens Damm. Aber der Umweltsenator erteilt Auflagen: Auf den stark gedüngten Maisäckern war der Artenbestand zwar auch „nicht so ganz dolle“, sagt Harmut Kurz von der Naturschutzbehörde, doch dafür leben viele Tiere in den alten Eichenreihen und Haselnuß- und Weißdornhecken, die die Äcker säumen. Diese Baumreihen sollen weitestgehend erhalten bleiben. Etwa 25 Bäume werden gefällt, dafür will der Golf-Club insgesamt 750 neue pflanzen.

Außerdem sollen möglichst nur kleine Bereiche intensiv gepflegt werden, also die Felder um die Löcher (Greens) und die Abschlagplätze (Tees). Die werden alle zwei Tage gemäht und machen etwa 5-6 Prozent der Fläche aus. Die Spielbahnen (fairways) werden zweimal wöchentlich gemäht und machen 40-50 Prozent aus. Doch der Rest, die sogenannten Rouhgs, über die soll möglichst nur einmal im Jahr der Rasenmäher. Besonders lang stritt man um die Ufer des Brillensees. Der Naturschutz setzte sich durch: Die Ufer mit ihren dicht bebrüteten Ecken bleiben tabu. Und zum Ausgleich für die Entwässerung des Geländes und die Erdarbeiten (Kritiker behaupten, bei einem Golfplatzbau würden 90 Prozent der Fläche umgepflügt) werden entlang der Franz-Schütte-Allee Teiche angelegt.

Benutzt wird das Gelände dann von 700 Golf-Club-Mitgliedern. Und die restlichen BremerInnen? Die stehen draußen vor dem Zaun. Allerdings bleibt der Ikens Damm, der Hauptspazierweg zur Oberneuländer Mühle, weiter begehbar. „Für die Bevölkerung wird sich nichts ändern“, meint Harmut Kurz. Denn das Baden im Brillensee sei auch jetzt schon verboten.

Dennoch: Die Sportart Golf entzieht der Öffentlichkeit mehr Fläche als der Fußball. Ein Fußballer braucht 70 Quadratmeter, ein Golfer rund 1.000. Ist das nicht elitär? „Unsinn,“, sagt Manfred Ahlsdorff, stellvertretender Vorsitzender des Golf-Club Oberneuland e.V. „Eine Fläche, die jetzt nur einem Bauer zur Verfügung steht, steht dann hunderten offen.“ Außerdem tausenden von Gästen. Gast kann allerdings nur sein, wer eine Spielerlaubnis hat und in einem anderen Golfclub Mitglied ist. „Aber der neue Platz wird die Attraktivität Bremens wesentlich erhöhen“, schiebt Ahlsdorff nach. Welche Stadt habe denn einen Golfplatz innerhalb ihrer Mauern? Nicht München, nicht Frankfurt, aber Bremen! Er hat schon einige Gäste im Auge, die er dann einladen wird, zum Beispiel die Ostasien-Vertretungen seiner Firma.

Und warum spielt Ahlsdorff nicht einfach Tennis? „Wissen Sie, wenn man in einem Industriebetrieb tätig ist, braucht man die Entspannung, die heile Welt, die Natur, die habe ich auf einem Tennisplatz nicht.“ Ahlsdorff ist Vorstandvorsitzender der Gestra-AG in Findorff, einem Hersteller von Industrie-Armaturen.

Elitär findet er seinen Club gar nicht. „Wir verstehen uns als reinen Sportclub. Gesellschaftlich gehen wir nicht selektiv vor, wir haben eine gesunde Streuung vom Handwerker über Angestellte, viel Freiberufler, viele Frauen, mehr als 50 Prozent. Bei uns ist die Mitgliedschaft doch noch bezahlbar.“ Die Aufnahmegebühr plus erwarteter Spende beträgt 7.000 Mark, junge Leute bis 28 Jahren zahlen 200.

Da kennt Ahlsdorff ganz andere Golfclubs, zum Beispiel den in Syke, wo auch Rudi Carrell spiele, dort zahle man glatt 15-20.000 Mark. Wer in Bremen allerdings Rang und Namen habe, der oder die spiele im Golfclub in der Vahr, einem der ältesten deutschen Golfclubs. Es gibt natürlich auch richtige Edelclubs, in Hamburg-Falkenstein zum Beispiel. „Wenn Sie da anrufen, daß Sie kommen, werden Ihnen schon ihre geputzten Schuhe rausgestellt“, weiß Ahlsdorff. „Das ist aber nicht unser Stil, ist auch unbezahlbar.“ In Bremen zieht man auch sein Golfbag selber.

Trotzdem nimmt auch der Oberneuländer Club wie die meisten anderen keine neuen Mitglieder mehr auf. Der Erfolg von Bernhard Langer hat zwischen '85 und '90 die Zahl der deutschen GolferInnen aufs Doppelte (140.000) steigen lassen. Wer neu in den Sport will, muß selbst einen Club gründen. Und so sind diverse im Umland in Planung: nicht nur der umstrittene in der Blumenthaler Aue, sondern auch in Hude, Achim, Mackenstedt, Bederkesa... „Golf wird bald so wenig elitär sein Tennis“, meint Klaus Claußen. Christine Holch