Windmühlenkampf

■ Don Quote gegen den Rest der EU? Heute steht in Brüssel die Quotenregelung der EU-Fernsehrichtlinie zur Debatte

In Luxemburg wird heute die nächste Folge eines europäischen Kulturdramas gedreht. Der Plot: Eine Regierung in Paris, die unter dem Eindruck eines zwischen rechten Rivalen ausgetragenen Wahlkampfes steht und mit nationalistischen Gesten Wähler beeindrucken möchte, kämpft verbittert gegen den amerikanischen Kulturimperialismus im europäischen Fernsehen.

In Schach gehalten werden die französischen Don Quijotes von einer hartnäckigen Bande aus Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und Großbritannien, die bereits vor sechs Jahren mit hinterlistigen Formulierungen eine europäische Richtlinie entwaffnet hatten. Damals parierten sie den französischen Vorstoß, indem sie mit flinkem Florett ein kleines Schlupfloch in die europäische Verteidigung zeichneten.

Europäische Fernsehsender dürfen höchsten zur Hälfte nicht- europäische Programme ausstrahlen, heißt es in der 89er Richtlinie, doch auf Drängen der Viererbande wurde hinzugefügt: wo immer dies in der Praxis möglich sei. Diesen Zusatz möchte Paris jetzt wegschlagen und außerdem die Regierungen zwingen, die Einhaltung der Regelung stärker als bisher zu kontrollieren. Statt Lollypop Kojak oder den Beachboys der Baywatcher-Serie sollen die Sender mehr europäische Charaktere wie Derrick und den Bergdoktor auf die Bildschirme bringen. Das Problem der amerikanischen Übermacht sehen auch die Quotengegner unter den Regierungen. Doch sie wollen lieber die Filmförderung ausweiten und den Vertrieb europäischer Werke finanziell unterstützen. Europäische Filme, so ihre Diagnose, scheiterten meist nicht am mangelnden Publikumsinteresse, sondern an der Dominanz der großen amerikanischen Verleihfirmen, die europäische Produktionen ignorierten.

Frankreich ist das zuwenig. In der Europäischen Kommission, die das Monopol beim Vorschlagen von Richtlinien besitzt, haben die französischen Don Quijotes Verbündete gefunden. Der zuständige Kommissar Marcelino Oreja legte vor einer Woche überraschend einen Richtlinienentwurf vor, der ziemlich genau den Pariser Vorstellungen entspricht. Der deutsche Kommissar Martin Bangemann, erklärter Vorreiter für marktwirtschaftliche Lösungen, war eingeknickt.

Pikanterweise hat am selben Tag auch das Bundesverfassungsgericht ins Drehbuch hineinredigiert, daß bereits die bisherige Quotenregelung teilweise im Widerspruch zur deutschen Verfassung steht. Die Bundesregierung hätte 1989 im europäischen Ministerrat gar nicht mitfechten dürfen, meinte das Gericht, weil Kultur Ländersache ist. Bonn hätte der EU somit nicht das Recht einräumen dürfen, den Ländern vorzuschreiben, wie das TV-Programm auszusehen hat. Die Landesregierungen sind sich weitgehend einig, daß sie Quoten für ungeeignet halten, der schwächlichen europäischen Film- und Fernsehindustrie auf die Beine zu helfen. Der Stoff, aus dem die französischen Träume sind, hat also genügend Zündstoff, um eine längere Serie von Ministerratssitzungen zu füllen.

Handelnde Personen in der aktuellen Folge, die aus Gründen einer vertrakten EU-Logik in Luxemburg spielt, sind die Kulturminister von 14 europäischen Regierungen und der bayerische Kultusminister. Der vertritt — wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt — die 16 deutschen Bundesländer, die sich aber noch nicht in allen Punkten einig sind, was sie genau wollen. Schon deshalb kann es heute zu keinem Ergebnis kommen, sondern allenfalls zu einer Orientierungsdiskussion. Immerhin wird dabei klarwerden, wie die neuen EU-Mitglieder Österreich, Finnland und Schweden zu den TV-Quoten stehen. Danach kann man durchzählen, ob die französische Variante eine Chance hat.

Allerdings müssen auch noch einige Nebelmaschinen von der Bühne geschoben werden. Nach dem aktuellen Vorschlag zählen zu den verlangten europäischen Werken alle Produktionen, die aus einem Land der EU zu mindestens 51 Prozent finanziert werden. Demnach ist es egal, ob ein Film in Japan oder Hollywood gedreht wird, was den Grundgedanken, mit den Quoten die europäische Filmindustrie gegen die Übermacht aus den USA zu schützen, irgendwie verwischt. Das zweite Argument — wahlweise in die Diskussion gebracht —, demzufolge die Quoten die europäische Kultur fördern sollen, wird von der engstirnigen Auslegung des Begriffs „europäisch“ unterlaufen. Wenn nur Filme aus der EU gefördert werden, was ist dann mit Produktionen aus der Schweiz, aus Polen oder der Tschechischen Republik? Nach dem aktuellen Entwurf müßten sie als außereuropäische Werke mit den US-Produktionen um die knappen Quotenplätze konkurrieren. Ein wichtiger Teil der europäischen Kultur würde am Rand zerquetscht. Alois Berger