Monsterfliegen aus dem Gen-Labor

■ Fliegen mit 14 Augen gezüchtet / Ist Organ-Ersatz auch bei Menschen möglich?

Die Meldung könnte aus einem Gruselfilm stammen: Gentechniker kreieren Monsterfliegen mit 14 Augen. Doch die makaberen Schöpfungen wurden nicht im Filmstudio geschaffen, sondern an der altehrwürdigen Universität Basel. Dort am Biozentrum ist es einem Forscherteam mit einem gentechnischen Trick gelungen, Fliegen mit fast beliebig vielen Augen aufzuziehen. In einem frühen Embryonalstadium hatten die Schweizer Forscher den Taufliegen mehrere Kopien des „Schlüsselgens“ für die Ausbildung der Augen übertragen. Das Ergebnis: Neben den normalen Augen wuchsen bei einigen Tieren auch auf den Flügeln, auf dem Thorax, an den Beinen und selbst an der Spitze der Antennen die typischen Facettenaugen.

Die Bezeichnung „Monster“ will der Biologe und Leiter der Arbeitsgruppe, Walter Gehring, nicht hören. Für ihn sind die Labor-Fliegen nur der erste Schritt auf der Suche nach genetischen Kontrollsequenzen, die das Wachstum von einzelnen Organen steuern. Bisher war unter Biologen umstritten, ob die Initiierung der Körperteile überhaupt von einem einzelnen Gen kontrolliert wird.

Das Gen, das die Forscher nutzten, wird als eyeless bezeichnet. Es erhielt seinen Namen, weil Fruchtfliegen, denen das Gen fehlt, ohne Augen bleiben. Gehring schätzt, daß bei den Taufliegen noch rund 2.500 weitere Gene an der Formation der Augen beteiligt sind. Die entsprechenden Gene werden aber nur in den Regionen aktiviert, in denen normalerweise auch die Augen sitzen. In allen anderen Zellen sind sie abgeschaltet. Die zusätzlich eingefügten eyeless- Kopien haben nun diese Blockade aufgehoben. Die Labor-Fliegen sind für den Schweizer Forscher ein „überraschendes Beispiel dafür, wie ein einzelnes Gen das komplette Entwicklungsprogramm anschalten kann“.

Von den Kollegen wird das Schweizer Forschungsteam gefeiert, denn es habe den „Durchbruch in der Entwicklungsbiologie“ erreicht. Für den Neurologen und Fliegen-Experten Charles Zucker von der University of California in San Diego ist die Veröffentlichung der Fliegenforscher jetzt schon „das Papier des Jahres“. Das sei „Frankensteinsche Wissenschaft von der besten Art“.

Im Moment haben die Forschungsarbeiten noch keinen klinischen Nutzen, aber es wird schon darüber spekuliert, ob es eines Tages vielleicht möglich sein wird, auch bei Säugetieren einschließlich des Menschen einzelne Organe wie Augen, Nieren oder auch Arme und Beine gezielt nachwachsen zu lassen. Eine dem eyeless- Gen analoge Gensequenz für die Ausbildung des menschlichen Auges ist auch schon gefunden worden. Wolfgang Löhr