Operation aus dem Hintergrund

■ Sollte es nach erfolgter Deregulierung in Japan zu einem neuen Konzentrationsprozeß kommen, gilt Morohashi als Initiator

Für Mitsubishi-Chef Shinroku Morohashi (72), die unbestrittene Nummer eins in der größten Unternehmensgruppe der Welt, war es eine gute Woche gewesen. Denn wieder einmal hatte Mitsubishi Japan den Weg gewiesen und dem Land ein Krisenrezept verpaßt. Darüber hinaus aber erhielt der schon seit neun Jahren amtierende Präsident des Handelshauses endlich die Chance, als Rekonstrukteur der verlorenen Mitsubishi-Einheit in die Geschichte seines Unternehmens einzugehen.

Schon seit Dienstag vergangener Woche ging es in Tokio Schlag auf Schlag: Erst hatte die Mitsubishi Bank völlig überraschend die Bank of Tokyo geschluckt und damit die Voraussetzungen für eine Bank geschaffen, wie sie die Welt an Größe und weltweiter Präsenz noch nie gesehen hatte.

Dann verabschiedete die japanische Regierung am Freitag einen fünfjährigen Deregulierungsplan, in dem sich eine Maßnahme versteckt, die das Wirtschaften in Japan auf neue Beine stellt: Sogenannte Holding-Gesellschaften, mit denen sich mehrere Einzelunternehmen zu einem Gesamtkonzern verbinden können, sollen innerhalb von drei Jahren wieder zugelassen werden. Das aber würde Mitsubishi erlauben, wieder zu dem zu werden, was es vor dem Zweiten Weltkrieg einmal war: ein Großkonzern, in dem das Handelshaus als Holding die Regie führt.

Tatsächlich stammt das Verbot der Holding-Gesellschaften noch aus der Besatzungszeit, als die Amerikaner Mitsubishi und andere Großkonglomerate für die japanische Kriegspolitik mitverantwortlich machten. Doch heute, wo die längste Rezession der japanischen Nachkriegszeit noch immer kein Ende nehmen will, fallen selbst die ältesten Tabus: „Die Großen werden größer“, erklärt Jesper Koll, Vizepräsident der US-Bank Morgan Stanley in Japan, die neue alte Masche des japanischen „Konglomerats-Kapitalismus“. Die Moral von der Geschichte laut Koll: „Fünfzig Jahre sind seit dem Krieg vergangen – Japan kommt aus dem Fegefeuer.“ Wenn das stimmt und in Japan ein neuer Konzentrationsprozeß in Gang gekommen ist, der das Gesicht der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt dauerhaft verändern wird, dann kann Shinroku Morohashi eines Tages als sein Initiator gelten. Unter Morohashis Federführung könnte sich das Handelshaus Mitsubishi dann auch zum größten Industrieunternehmen der Welt formieren. Tatsächlich besitzt derzeit kein zweiter japanischer Unternehmensführer ein derartiges Ansehen und eine ähnliche Nähe zur Macht wie der schon ungewöhnlich lange Zeit amtierende Chef des Mitsubishi-Handelshauses.

Shinroku Morohashi wirkt dabei ganz aus dem Hintergrund: Prestigeträchtige Posten in den japanischen Unternehmerverbänden lehnt er ebenso häufig ab wie Zeitungsinterviews. Anlaß für das Gespräch mit der taz war deshalb das fünfjährige Jubiläum der Zusammenarbeit von Mitsubishi und dem deutschen Daimler-Benz-Konzern – ein Thema, das Morohashi in der Öffentlichkeit bislang völlig ausgespart hatte. Georg Blume