Die SPÖ überrascht mit neuen Gesichtern

■ Parteichef Franz Vranitzky bildet Regierung um / Nominierte Minister versprechen einen scharfen Anti-Haider-Kurs / Linksliberaler Innenminister

Berlin (taz) – Neu und frisch, wie aus dem Ei gepellt, so hat sich Österreichs Sozialdemokratische Partei (SPÖ) am Wochenende präsentiert. Parteichef und Kanzler Franz Vranitzky hatte seine Vorständler geladen, um gleich vier neue Minister vorzustellen. Die große Rochade im SP-Regierungsteam war notwendig geworden, weil Finanzminister Ferdinand Lacina das Handtuch geworfen und der Kanzler die Gelegenheit benutzt hatte, drei weitere Langzeitminister aus dem Amt zu komplimentieren. Der Reigen geriet zum Coup: So wird anstelle von Franz Löschnak ein Mann Innenminister, der bislang vor allem durch seine Kritik an der rigiden Ausländergesetzgebung des scheidenden Amtsinhabers aufgefallen war: Caspar Einem.

Der 46jährige war erst im Vorjahr als Staatssekretär in die Regierung eingezogen und gilt als linksliberaler Hoffnungsträger. Von ihm wird nun eine radikale Kehrtwende erwartet. Die rigide Abschottungspolitik, die in vielem die xenophoben Forderungen von Jörg Haiders Freiheitspartei aufgegriffen hatte, dürfte jetzt ein Ende finden. Der Wechsel von Lüschnak zu Einem, übertragen auf deutsche Verhältnisse, ist, als würde Manfred Kanther von Freimut Duve abgelöst. Kein Wunder, daß die „Grünen“ das Exit Löschnaks als „großen Tag“ feierten.

Statt Einem wird nun Karl Schlögl Beamtenstaatssekretär, ein Amt, das mit den Aufgaben eines Staatsministers im Kanzleramt verbunden ist. Der 40jährige war zuvor Bürgermeister in einer niederösterreichischen Kleinstadt, stand dort der ersten rot-grünen Koalition der Republik vor – die zudem von den Kommunisten toleriert worden war – und erreichte mit dieser unorthodoxen Konstellation jüngst ein Traumergebnis von 63 Prozent. Den Posten des Finanzministers schließlich übernimmt der weithin unbekannte Steuerprüfer Andreas Staribacher.

Der angeschlagene SPÖ-Chef Vranitzky nimmt damit jene Kurskorrektur vor, die viele von ihm nach dem Wahldebakel vom Oktober erwartet haben. Unklar ist jedoch, ob damit der Kanzler einen neuen Anlauf nimmt oder bereits die Weichen für die Zeit nach Vranitzky gestellt werden. Gerüchte wollen jedenfalls nicht verstummen, die besagen, daß Vranitzky den Vorsitz beim Parteikonvent im Herbst abgegeben könnte. Als Nachfolger wird jetzt schon der eben abgetretene Finanzminister Lacina gehandelt. Er gilt als integer und ist, trotz seines Sparbudgets, beliebt.

Zuletzt lag er im Clinch mit Vranitzky, weil er zur Abfederung des sozial unausgewogenen Austeritätsprogramms eine Solidarabgabe für Besserverdienende forderte, womit er sich beim Regierungschef ebensowenig durchsetzen konnte wie beim christdemokratischen Koalitionspartner von der „Volkspartei“. Daß er dafür die Kritik von der Gewerkschaft einstecken mußte, dürfte Lacina endgültig amtsmüde gemacht haben. Zum Abschied gab er bekannt, er wünsche sich einen Nachfolger „gegen den die Gewerkschaft nicht demonstrieren muß“. Robert Misik

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