Tietmeyer spielt auf Zeit

■ Bundesbankpräsident will EWI-Streit mit Bank of England ohne London lösen

Freiburg (taz) – Die Konflikte innerhalb des Europäischen Währungsinstituts (EWI), das für die technische Vorbereitung der Währungsunion zuständig ist, sind programmiert. Wenn heute und morgen in Frankfurt der EWI-Rat tagt, der sich aus den ZentralbankpräsidentInnen der 15 EU-Staaten zusammensetzt, will Bundesbankpräsident Tietmeyer den Streit zwar austragen. An einer frühzeitigen Lösung der Querelen jedoch ist er aus taktischen Gründen gar nicht interessiert, wie er am Wochenende auf einer Tagung in Hinterzarten erläuterte.

„Warum soll ich mich mit den Vertretern von Staaten einigen, die vielleicht gar nicht an der Währungsunion teilnehmen?“ fragte er. Derzeit erfüllen nur Luxemburg und Deutschland die Konvergenzkriterien des Maastrichter Vertrags. Dänemark und Großbritannien haben sich zusätzlich noch eine politische Verweigerungsoption offengehalten. Wenn nach Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion das EWI durch die Europäische Zentralbank abgelöst wird und nur noch die ZentralbankpräsidentInnen der beteiligten Staaten das Sagen haben, hofft Tietmeyer auf leichteres Spiel. Denn im EWI steht er derzeit mit seinen Positionen alleine da.

Umstritten ist etwa, wie nach Eintritt in die dritte und entscheidende Stufe der Währungsunion die Einführung des Ecu als Gemeinschaftswährung vor sich gehen soll. Vor allem die Bank of England und die Bundesbank vertreten dabei unterschiedliche Konzepte. Die Briten favorisieren den Plan „mounting waves“, wonach die Verwendung von Ecu-Zahlungsmitteln schon ab Beginn der dritten Stufe parallel zu den alten Währungen möglich sein soll. Tietmeyer bevorzugt dagegen einen „delayed big bang“, bei dem erst alle Vorarbeiten des Bankensystems abgewartet werden sollen, um die Währungsumstellung dann von einem Tag auf den anderen vorzunehmen. Er geht davon aus, daß nach Beginn der dritten Stufe rund drei weitere Jahre bis zum „big bang“ ins Land gehen sollten.

Der Streit ist deshalb von großer Tragweite, weil Tietmeyer in der Entscheidung über den Umstellungsmodus bereits eine Vorentscheidung über die geldpolitischen Instrumente einer künftigen Europäischen Zentralbank sieht. Denn auch in der geldpolitischen Grundorientierung stehen sich die Bank of England und die Bundesbank mit unterschiedlichen Konzepten gegenüber. Während Großbritannien seine Geldpolitik zentral in London zwischen der Bank of England und wenigen Geldbanken abwickelt, ist das deutsche Zentralbanksystem föderal aufgebaut und arbeitet über seine Diskont- und Lombardsatzpolitik mit dem ganzen Bankensystem zusammen.

Um die deutsche Geldmengenorientierung in Europa durchzusetzen, will Tietmeyer bei der Währungsumstellung unbedingt das britische „mounting waves“- Konzept verhindern, da es seiner Ansicht nach nur mit dem zentralistischen Londoner Geldsystem praktikabel ist. Christian Rath