Einheit auch ohne Einigung

Nach zwölf Stunden Verhandlungen einigten sich Diepgen und Stolpe auf einen Staatsvertrag für ein gemeinsames Land Berlin-Brandenburg / Konflikte wurden elegant umgangen  ■ Aus Berlin Severin Weiland

Am Sonntag morgen kurz nach halb vier Uhr griffen Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) im Berliner Aspen-Institut zu den Sektgläsern. Nach über zwölf Stunden zäher Verhandlungen, bei Häppchen und Bohnensuppe, hatten die Delegationen beider Länder den Durchbruch zur Fusion geschafft. Bis zuletzt war nicht sicher, ob das streng geheimgehaltene Treffen – an dem die CDU- und SPD-Fraktionsvorsitzenden beider Parlamente teilnahmen – überhaupt von Erfolg gekrönt sein würde. Allen voran der Berliner CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky hatte sich in den letzten Monaten für eine Verschiebung der für 1999 vorgesehenen Länderehe ausgesprochen.

Nun sollen sich die Berliner und Brandenburger in einer Volksabstimmung am 5. Mai 1996 zwischen den Fusionsdaten 1999 oder 2002 entscheiden. Ein Kompromiß, der Landowsky und seinen Parteifreunden weit entgegenkommt. Sollte es nämlich bei der Volksabstimmung – an der mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen müssen –, zu unterschiedlichen Voten kommen, gilt auf alle Fälle der spätere Termin.

Seit einer Zusammenkunft der beiden Länderkabinette im Dezember 1992 und den kurz darauf eingeleiteten Verhandlungen drohte die Länderehe in wechselseitigen Nachbesserungsforderungen zerrieben zu werden. Die Potsdamer Landesregierung befürchtete finanzielle Nachteile durch den 3,5-Millionen-Einwohner- Moloch Berlin, die Berliner CDU- Fraktion sah sich angesichts der Stärke der PDS in Brandenburg künftig schon in der Rolle des Daueroppositionellen.

Entgegen innerparteilichem Widerstand hielt Diepgen jedoch beharrlich an der Fusion fest. Nun muß sein Parteifreund Landowsky die Fraktion auf Kurs bringen, damit die vor der Sommerpause angekündigte Abstimmung im Abgeordnetenhaus gelingt. Schließlich werden in beiden Länderparlamenten Zweidrittelmehrheiten gebraucht.

Ein „Meisterwerk der Kompromißpolitik“ nannte Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe gestern den Staatsvertrag, der aller Voraussicht nach schon am Donnerstag dieser Woche paraphiert werden soll.

Jedoch ist noch genug Stoff für Auseinandersetzungen vorhanden. Einige der umstrittensten Punkte wurden lediglich in elegante Formeln gepreßt. Zwar soll nun, nach Stolpes Willen, das gemeinsame Land höchstens 159.000 BehördenmitarbeiterInnen haben. Allerdings wurde nicht auf Brandenburgs ursprünglicher Forderung eingegangen, dabei im gleichen Atemzug den Berliner Anteil festzuschreiben. Um den Gewerkschaften den Wind aus den Segeln zu nehmen, wurde allerdings festgelegt, daß es zu keinerlei fusionsbedingten Kündigungen kommen soll.

Für erheblichen Wirbel dürfte auch die künftige Struktur des Gesundheits- und Universitätswesens sorgen. Wohl in Kenntnis der zu erwartenden Widerstände läßt der Staatsvertrag die Anzahl der Kliniken und Hochschulen offen. Der Anteil der Studienplätze – 34.000 in Brandenburg, 100.000 in Berlin – wurde daher nur in einer Protokollnotiz zum Staatsvertrag niedergelegt.