Insulaner haben ihr letztes Gefecht verloren

■ Wolfgang Wieland, Fraktionsführer von Bündnis 90/Die Grünen, zum Fusionsvertrag

taz: Die Länder sind sich einig, aber die Bündnisgrünen gespalten?

Wolfgang Wieland: Die Berliner Bündnisgrünen begrüßen diesen Abschluß. Das ist ein Kompromiß, mit dem beide Länder leben können. Niemand wurde über den Tisch gezogen.

Aber die Brandenburger Bündnisgrünen sind gegen die Fusion.

Das ist eine schizophrene Situation. Die Brandenburger haben bei ihrer Ablehnung das Verhandlungsergebnis nicht abgewartet. Dabei wird im Vertrag der Parlaments- und Regierungssitz Potsdam festgeschrieben – von uns immer vehement gefordert und nun gegen den Widerstand der Berliner CDU-Fraktion durchgesetzt.

Tolle Leistung also von Verhandlungsführer Diepgen?

Wir haben in der Vergangenheit Eberhard Diepgen schon ab und an gelobt, beispielsweise bei der Ostlohn-Angleichung. Bei der Länderfusion haben wir immer gesagt, wir müssen Diepgen vor seiner Partei schützen. Er beschreitet den richtigen Weg, seine West-Insulaner, die Angst haben, im Roten Meer unterzugehen, wollten die Fusion auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.

Es gibt trotzdem viele Formelkompromisse und ungelöste Probleme, beispielsweise die Berliner Schuldensanierung und die Zahl der Bediensteten im öffentlichen Dienst. Wie soll damit umgegangen werden?

Wenn der Blinde die Lahme heiratet, dann können beide nicht davon ausgehen, allein durch die Eheschließung gesund zu werden. Beide Länder sind in einer haushaltsmäßig katastrophalen Situation. Berlin ist im Grunde schon pleite, und Brandenburg hat nur deswegen noch nicht so viele Schulden, weil es dieses Land noch nicht so lange gibt. In den Vertrag die Haushaltskonsolidierung hineinzuschreiben war notwendig.

Es rettet uns hier kein höheres Wesen und nicht der Kanzler. Dieses gemeinsame Bundesland wird aus eigener Kraft existieren müssen. Das geht gemeinsam besser als getrennt. Was die Stellen im öffentlichen Dienst betrifft – jeder wird versuchen, dieses Sparopfer dem anderen aufzubürden.

Bedeutet der Staatsvertrag das Ende des alten West-Berlin?

Ja. Die Insulaner haben hier ihr letztes Gefecht verloren. Insbesondere CDU-Fraktionschef Landowsky versteht sich nur als West- Berliner und ist nicht in der Lage, seinen Horizont zu erweitern.

Wie gehen Sie mit den Fusionsgegnern um?

Normal. Wir sind die Partei, die beispielsweise die Ängste der Brandenburger vor einer Dominanz Berlins am meisten versteht. Mancher beargwöhnt uns deswegen als fünfte Kolonne – wegen der starken Berücksichtigung Brandenburger Interessen. Wer Förderalismus will sowie wirtschaftlich starke und autonome Länder, der muß diese Fusion wollen. Der Raum Berlin-Brandenburg muß auch unter ökologischen Gesichtspunkten eine gemeinsame Planung haben. Die vielen Staatsverträge, die sonst abzuschließen sind, wären zu mühsam.

Interview: Gerd Nowakowski