Sechs-Wochen-Witz ohne Pointe

■ Endlich wieder strikes statt strike: Die amerikanischen Baseballer beenden ihren Streik, die Saison kann bald beginnen, und selbst die Clubbesitzer spielen mit

Berlin (taz) – Eine Volk atmet auf, ein nationales Kulturgut kehrt zurück, die boys of summer, wie man sie in den USA zärtlich nennt, werden, wenn alles gut geht, ab 26. April wieder den Baseball-Schläger schwingen.

Die ebenso unerwartete wie hurtige Entwicklung nach einem mehr als sieben Monate andauernden Streik kam zustande, weil ein New Yorker Gericht am vergangenen Freitag auf Antrag der Spielergewerkschaft die Besitzer „unfairer Tarifpraktiken“ für schuldig befand und eine einstweilige Verfügung erließ, nach der die Klub- Besitzer die alten Lohnbedingungen und Transferregelungen des schon vor mehr als einem Jahr ausgelaufenen Tarifvertrages respektieren müssen. Der Spieler-Streik hatte am 12. August 1994 begonnen, als die Tarifverhandlungen an einem toten Punkt angelangt waren – die Besitzer wollten unbedingt ein sogenanntes salary cap, eine Gehaltsobergrenze, installieren. Damit waren die Spieler natürlich nicht einverstanden, der Rest der Saison wurde abgesagt.

In den vergangenen Monaten fand keinerlei Annäherung statt – trotz mehrmaliger Verhandlungen und dem Einschreiten von Präsident Clinton, der beide Seiten im nationalen Interesse zu einer Einigung aufrief. Doch schon vor der Gerichtsentscheidung hatten die Spieler erklärt, daß sie bereit seien, den Streik zu beenden, wenn die einstweilige Verfügung ausgesprochen würde. Die Besitzer mußten nun reagieren und trafen sich zu einer Sitzung am Sonntag, nur wenige Stunden vor dem in Miami angesetzten Eröffnungsspiel zwischen den Florida Marlins und den New York Mets, das wie die ganze Saison mit zweitklassigen Ersatzspielern durchgeführt werden sollte. Einige Besitzer wollten die Spieler aussperren, um ihre Vorstellungen durchzudrücken. Dafür fand sich aber keine Mehrheit: 21 von 28 Clubs hätten für die Aussperrung stimmen müssen, nach einer internen Quelle fanden sich in der vierstündigen Sitzung aber nur 16 Besitzer, die den bisher längsten und kostspieligsten Arbeitskampf im amerikanischen Profisport fortsetzen wollten. Bud Selig, Eigentümer der Milwaukee Brewers, Sprecher der Besitzer und eifrigster Verfechter eines salary cap, plädierte deshalb intern dafür, das Angebot der Spieler anzunehmen: „Wenn genug von euch spielen lassen wollen, dann laßt uns hier wenigstens einig rausgehen.“ Nach der Sitzung kündigte Selig an, der Saisonbeginn werde auf den 26. April verschoben, die Spieler müßten bis spätestens Ende der Woche in den Trainingslagern erscheinen und die Saison würde um 18 Spiele auf 144 für jedes Team verkürzt. Donald Fehr, Chef der Spielergewerkschaft, begrüßte die Entscheidung der Besitzer und kündigte baldmöglichst neue Verhandlungen über einen Tarifvertrag an: „Wenn sie für eine Aussperrung gestimmt hätten, wäre klar gewesen, daß sie auf keinen Fall Frieden wollen.“ Die Gründe für das Einlenken der Besitzer waren vor allem finanzielle. Ihre bisherigen Umsatzverluste durch den Streik beziffern sie auf 700 Millionen Dollar. Und eine Aussperrung wäre mit noch größeren Risiken verbunden: Würden bei einer Anhörung, die am 22. Mai beginnt, die Grundsätze der einstweiligen Verfügung bestätigt, müßten die Clubeigner wohl auch die Spielergehälter für die Dauer der Aussperrung nachzahlen.

Einen Haken hat die Sache aber noch. Die Besitzer haben Einspruch eingelegt gegen die einstweilige Verfügung. Dieser wird am heutigen Dienstag verhandelt. Die Besitzer haben vermelden lassen, daß sie so oder so die Spieler freudig erwarten. Ein Gewerkschafts- Anwalt ließ offen, ob die Spieler sofort wieder in den Ausstand treten würden, falls man die Verfügung wieder aufheben sollte. Die Fronten sind aber auch nach exakt 232 Tagen Streik immer noch dieselben: Die Besitzer wollen ein salary cap, die Spieler nicht. Wie schon die letzte Saison wird auch diese ohne einen gültigen Tarifvertrag beginnen, und so drohen jederzeit Streik oder Aussperrung.

Die Hauptleidtragenden sind die Ersatzspieler, deren Traum von einer Karriere in den Major Leagues abrupt endete. Am Samstag wurden sie allesamt von den Besitzern entlassen. Wayne Rosenthal, der nur 24 Stunden später sein erstes Spiel als Pitcher bei den Mets bestritten hätte, sagt: „Es ist, als erzählte dir jemand einen Sechs-Wochen-Witz, um dann die Pointe wegzulassen.“ Thomas Winkler