■ Mit Klima-Zahlenspielen auf du und du
: Tabu statt Debatte

Berlin (taz) – Die Diskussion auf dem Berliner Klimagipfel ist geprägt von Szenarien und Zahlenartistik über die Industriestaaten. Über die Wachstumsraten in ehemaligen Entwicklungsländern wird weniger gesprochen. Auch die regierungsunabhängigen Organisationen scheuen dieses Thema. Sie fürchten den Applaus von der falschen Seite, von den Bremsern des Verhandlungsprozesses.

Erst recht verweisen die Staaten des Südens am liebsten auf die alleinige Verantwortung der Industrienationen. So steht es denn auch in dem Papier der meisten G 77-Länder vom Wochenende, das von Indien und China unterstützt wird. Etwas anderes soll in Berlin auf keinen Fall erörtert werden. Das Tabu löst das Problem nicht. Noch ist die Erste Welt für über drei Viertel der CO2-Emissionen verantwortlich. Doch die Verhältnisse ändern sich. „Die Emissionskurve Chinas und Südkoreas zeigt steil nach oben. Es kann nicht sein, daß sie genauso behandelt werden wie ganz arme G77-Länder wie zum Beispiel Botswana“, argumentiert in Berlin ein US-Delegierter, der nicht genannt werden möchte.

Inzwischen stammen elf Prozent der Kohlendioxidemissionen dieser Welt aus chinesischen Schloten und Auspuffrohren. Auf der CO2-Weltrangliste nimmt das bevölkerungsreichste Land der Erde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Platz zwei ein. Wenn der Trend der letzten Jahre anhält, hat China im Jahr 2005 auch die USA noch überholt. 4.300 Millionen Tonnen Kohlendioxid kämen dann allein aus der Volksrepublik.

An der Bevölkerung gemessen schneidet China allerdings auch bei immensen Steigerungsraten immer noch gut ab: Der Ausstoß an CO2 pro Kopf und Jahr liegt in China bei zwei Tonnen, in den USA mit 22 Tonnen elfmal höher.

Gibt es Konzepte für die Entwicklungsländer, die diesen Klimaschaden zumindest eindämmen könnten? Kaum, darin sind sich die Experten einig. Das Beispiel Brasilien zeigt, daß eine günstige CO2-Bilanz oft mit anderen Umweltschäden erkauft wird – mit zerstörerischen Staudämmen oder Monokulturen. Für China schlägt Reinhard Loske vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie eine Energiesparstrategie und den stärkeren Einsatz von erneuerbaren Energien vor. Nur dann sei eine halbwegs klimaverträgliche Entwicklung möglich. Im Grunde aber müsse es um eine andere Form des Wirtschaftens gehen, die regionaler und nicht allein am quantitativen Wachstum der Produktion und des Konsums ausgerichtet ist. fex/aje