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Klimafreundlicher Umweltsünder

■ Brasilien setzt auf erneuerbare Energien – was auch Probleme mit sich bringt

Rio de Janeiro (taz) – Brasilien rutscht nicht mehr nervös auf der Anklagebank für Umweltsünder hin und her. Nach jahrelanger Kritik aufgrund massiver Brandrodungen und Abholzungen tropischer Regenwälder präsentiert sich das größte Land Lateinamerikas auf dem Berliner Klimagipfel nun als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. „Weil Brasilien seine Energie zu neunzig Prozent aus Wasserkraft gewinnt, kann es sich in Berlin auf eine bequeme Beobachterposition zurückziehen“, meint der Physikprofessor Luiz Pinguelli Rosa von der Bundesuniversität aus Rio de Janeiro. Brasiliens Präsident Fernando Henrique Cardoso versprach derweil, die Regierung werde 5,5 Milliarden US-Dollar in weitere Wasserkraftwerke, Straßen, Tourismus sowie den Schutz des Waldes in der Amazonasregion investieren.

Im Gegensatz zu anderen Schwellenländern wie China und Indien und auch vielen Industrienationen benutzt Brasilien zur Sättigung seines wachsenden Energieverbrauchs nicht in erster Linie fossile Brennstoffe, sondern erneuerbare Energien wie Wasserkraft, Alkohol, Naturgas und Holzkohle. Aufgrund eines in den 70er Jahren von der ehemaligen Militärregierung entwickelten Programmes werden heute die Hälfte aller in Brasilien hergestellten Autos mit aus Zuckerrohr gewonnenem Alkohol angetrieben statt mit Benzin. Stahlwerke im Landesinnerern verwenden Holzkohle, die zum großen Teil aus den eigens dafür angepflanzten Eukalyptusplantagen stammt. Über zweihundert Staudämme sorgen für die nationale Stromerzeugung. Das größte Wasserkraftwerk der Welt, Itaipú am Rio Paraná mit einer Kapazität von 12.600 Megawatt, deckt mittlerweile 35 Prozent des gesamten brasilianischen Stromverbrauchs.

Die massive Nutzung erneuerbarer Energien verhalf Brasilien im internationalen Vergleich zu einem äußerst niedrigen Kohlendioxidausstoß im Verhältnis zum Pro-Kopf-Energieverbrauch. Doch der Preis für umweltfreundlichen Alkoholsprit sind immense Zuckerrohr-Monokulturen und ausgelaugte Böden. Statt Nahrungsmittel wird im brasilianischen Nordosten in bestimmten Regionen nur Zuckerrohr angebaut. Das Heer der rund 300.000 Landarbeiter findet nur in der Erntezeit Arbeit.

Der Preis für den klimafreundlichen Strom aus den wilden Wassermassen sind riesige Überschwemmungen. Hinter dem 80 Meter hohen Staudamm des Wasserkraftwerkes Tucuruí am Rio Tocantins, einem Nebenfluß des Amazonas, verschwand eine Waldfläche, die dreimal größer ist als der Bodensee. Ähnlich schlecht schneidet auch das 250-Megawatt- Kraftwerk Balbina, ebenfalls im Amazonasgebiet, ab. Wegen des geringen Gefälles wurden je installiertem Megawatt 920 Hektar Tropenwald überschwemmt. „Jede Art von Technologie bringt Probleme mit sich“, gibt Physiker Pinguelli zu bedenken. Brasiliens Problem sei nicht der Klimaschutz, sondern die grassierende Armut.

Während in Berlin Umweltschützer auf dem Klimagipfel um Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen ringen, bereist Bundesentwicklungshilfeminister Carl-Dieter Spranger einstweilen Brasilien und lobt bei Projektbesichtigungen Deutschlands herausragenden Beitrag zum Schutz tropischer Regenwälder. Astrid Prange

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