Asiatische Arbeitskultur

■ Streit um Betriebsratsgründung bei Samsung Deutschland

Frankfurt (taz) – Ein Kampf zwischen deutscher und asiatischer Arbeitskultur wird derzeit vor einem hessischen Arbeitsgericht ausgefochten. Die Kontrahenten sind der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung und die Gewerkschaft HBV. Die südkoreanische Zeitung Dong-A Ilbo beklagte sich, daß SEC Deutschland mit seinen 140 Angestellten im Hauptsitz in Sulzbach bei Frankfurt das Image des Gesamtkonzerns, ja sogar die nationale Ehre des Landes „beschädigt“ habe.

Die inzwischen internationale mediale Aufmerksamkeit verdirbt die ansonsten ungetrübte Freude angesichts der rapiden Expansion von Samsung in Europa. In Deutschland kaufte SEC erst im Februar den Kamerahersteller Rollei für 57 Millionen Mark. Schon 1992 hatten die Koreaner von der Treuhand eine Berliner Fernsehröhrenfabrik und einen weiteren Röhrenhersteller erworben. In England baut SEC einen ganzen Komplex von Elektronikfirmen, und auch in Spanien, Portugal und Osteuropa hat der Konzern bereits Fuß gefaßt. SEC stellt nicht nur Unterhaltungselektronik her, sondern ist auch weltweit größter Lieferant von Computer- Speicherchips. Der Konzernumsatz kletterte 1994 um 41 Prozent auf 14 Milliarden US-Dollar. Die Gewinne explodierten um 400 Prozent auf eine Milliarde Dollar.

Samsung hat immer eine stark gewerkschaftsfeindliche Personalpolitik verfolgt. Im Sulzbacher Firmensitz, wo überdurchschnittlich hohe Löhne gezahlt werden, wie auch die HBV zugibt, will das Management die Gründung eines Betriebsrats verhindern. Genau auf diesem Recht bestanden jedoch vor einem Jahr einige Angestellte, berichtet Wilfried Hölzer von der Frankfurter HBV. Fünf Angestellte, der Gewerkschaft zufolge die Initiatoren des Plans, wurden gefeuert. SEC-Personalchef Rüdiger Funk sagt dagegen, die Betriebsrats-Initiative sei erst nach deren Kündigung entstanden; die fünf seien bei einer Mitarbeiterversammlung ohnehin nicht gewählt worden.

Dem vorausgegangen war ein Brief aus der koreanischen SEC- Zentrale: „Betriebsräte stehen der Philosophie Samsungs entgegen, die keine gewerkschaftliche Organisation benötigt. Ein Betriebsrat könnte eine Verlagerung oder Beendigung unserer Geschäftstätigkeit in Deutschland nach sich ziehen. Wir erinnern Sie daran, daß die Farbfernseherfabrik in New Jersey (USA) 1989 wegen der Gewerkschaft geschlossen und die portugiesische Fabrik aus dem gleichen Grund nach Großbritannien verlagert wurden.“

Nachdem vor einer Woche die SEC-Angestellten nun erneute Betriebsratswahlen für den 12. Mai anberaumten, entschieden die Richter, daß die Wahlen stattfinden müssen. Personalchef Funk wie auch einer der neuen Wahlvorstände, Roberto Blickharn, betonen, der Streit ginge allein um die Rechte der Angestellten, sich zu organisieren – unabhängig von der „feindlichen“ Einmischung der HBV, die in Sulzbach ohnehin nur wenige Anhänger habe.

Ein Blick in die Arbeitsgeschichte Asiens ist hier lehrreich. Wenn eine Gewerkschaft sich zu formieren begann, schlossen sich in vielen asiatischen Unternehmen Mitarbeiter, die loyal zum Management standen, zu einer alternativen Organisation zusammen. Diese Arbeiter besiegten schließlich mit stillschweigender Unterstützung durch die Geschäftsleitung die gewerkschaftlich organisierten Kollegen. Hugh Williamson.