Portrait
: Glückwunsch Dany!

■ Die antiautoritäre Revolte wird 50

Die Milleniumswende wirft bereits heute ihren verderblichen Schatten. Uranus droht, und die Zeichen großer Veränderungen mehren sich nicht nur am nächtlichen Sternenhimmel. Ernst Jünger wurde eben 100 Jahre alt, Helmut Kohl gestern 65 und Dany „Le Rouge“ Cohn- Bendit heute 50. Meine Güte, denkt da unsereins, und beginnt klammheimlich die wenigen Jährchen zu zählen, die mich noch von dem halben Jahrhundert trennen. Meine Güte, der rote Dany, der Pariser Mai 68, die antiautoritäre Revolte, die Barrikaden, die eigene Jugend. Happy Birthday, zum Fünfzigsten eben.

Ein hochwohllöblicher Europaabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen ist er geworden, ehrenamtlicher und erster Stadtrat für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main, Buchautor, Filmemacher, deutsch-französischer Fernsehentertainer und ohne jeden Zweifel dasselbe enfant terrible, antiautoritär-autoritär bis in den hintersten Knochen, als das er schon im Pariser Mai die französische Republik in große Verwirrung und deren Staatspräsidenten Charles de Gaulle fast mit gestürzt hätte. Das mache ihm mit seinen damals 23 Jahren erst mal einer nach!

Daniel Cohn-Bendit, am 4. April in Montabaun in Südfrankreich geboren, ist ein veritables Kind der Befreiung von der deutschen Nazidiktatur. Ob der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, ist ja in Deutschland 50 Jahre danach immer noch eine Debatte. Dany ist die fleischgewordene Antwort: Was denn sonst? Seine Eltern, deutsche Juden, die sich vor Hitler nach Frankreich retten und dort während der Besetzung verstecken konnten, zeugten ihn, als die Alliierten 1944 in Frankreich gelandet waren. Und während Hitler in seinem Bunker in der Reichskanzlei seinem blutigen Ende entgegensah, kam Dany als Kind der Freiheit auf die Welt. Freiheit, Gleichheit und Minderheitenschutz sind die beherrschenden Themen seines Lebens. Er wurde zu einem echten Antiautoritären, einem libertären Anarchisten, der jeden Dogmatismus haßte und haßt wie die Pest.

Der Einsatz für Minderheiten ist sein großes Thema: Palästinenser, Kurden, Bosnier. Die Schauplätze wechseln, Danys Engagement aber bleibt unerschütterlich. Er pfeift dabei auf alle political correctness, Parteilinie, Tabus und Berührungsverbote, wenn sein Engagement dies für notwendig erscheinen läßt. Was er in Frankfurt als Dezernent für multikulturelle Arbeit tatsächlich geleistet hat, ist einer breiteren Öffentlichkeit erst dann klargeworden, als es ihm gelang, eine gewaltsame Konfrontation zwischen deutscher Polizei und Kurden zu verhindern, die ein Kulturzentrum besetzt hatten. Die CDU fordert in unserer Stadt bis auf den heutigen Tag die Auflösung seines Dezernats. Soviel auch zu schwarz-grün.

Er litt wie kaum ein anderer unter dem „Asylkompromiß“, der faktischen Abschaffung des Asylrechts in Deutschland, den er in seinen fatalen Konsequenzen hatte kommen sehen. Er wollte, daß sich die Linke – Grüne und Sozialdemokraten – beizeiten auf einen Kompromiß einlassen sollten, der wenigstens die Tür an der einen oder anderen Stelle offen gelassen und ein Einwanderungsgesetz mit geändertem Staatsbürgerrecht gebracht hätte. Er spürte, daß der Druck gegen eine große Mehrheit in der Bevölkerung für die SPD nicht durchhaltbar war. Und weil er – zurecht! – die Totaldemontage des Asylrechts befürchtete.

Ebenso unbequem ist seine Haltung im Bosnienkrieg. Er fordert den bewaffneten Krieg des Westens zugunsten der Muslime, da sie ansonsten keine Zukunft haben würden. Pazifist war er nie: Vietnam, Chile, Kuba – Gewalt haßt er zwar zutiefst, aber er schloß sie zur Verteidigung des Lebens, der Freiheit und der Befreiung von Unterdrückung dennoch niemals aus. Er tut sich mit dieser Auffassung schwer in einer pazifistischen Partei, wie es Bündnis 90/ Die Grünen sind. Aber das genau ist eben Dany.

50 Jahre und kein bißchen heiser. Samstags auf dem Fußballfeld, wenn die alten Spontiherren die morschen Knochen krachen lassen, röhrt er wie eh und je über den Platz. Die deutsche Fußballnationalmannschaft mag er bis heute nicht, sein Herz hängt an den Blauen aus Frankreich. Und ebenso gilt dies für die Küche. Genieße also Deinen Geburtstag, Alter, bei Deinen geliebten Austern und einem schönen weißen Bordeaux. Glück, Stimmkraft und eine gute Gesundheit wünsche ich Dir. Denn bedenke, Du hast erst die Hälfte hinter Dir. Mindestens 100 Jahre heißt das Ziel. Denn vergiß nicht: Wir wollen alles! Joschka Fischer

Der Autor ist Vorsitzender der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen