Krieg gegen ein Phantom

■ Unter dem Einmarsch leidet vor allem Nordiraks kurdische Zivilbevölkerung

„Die türkischen Soldaten kämpfen gegen einen Schatten“, beschreiben irakische Kurden die Aktivitäten der Türken im Norden Iraks. Zwei Wochen nach dem Einmarsch stellt sich die Frage, wen die türkischen Soldaten eigentlich jagen. Aus Ankara heißt es, die Invasion gelte der PKK. Doch verbreitete „Erfolgsmeldungen“ lassen daran zweifeln. Von den angeblich fast 3.000 in der Gegend ausharrenden PKKlern sollen bisher 295 getötet worden sein.

Unterdessen dringen immer mehr Informationen über Übergriffe der türkischen Soldaten in Nordirak an die Öffentlichkeit. Einwohner von Sefaria berichteten, das kurdische Dorf sei am Sonntag von etwa 200 Soldaten eingenommen worden. Die Soldaten hätten die Häuser geplündert und sechs Menschen festgenommen. Den zurückgelassenen Dorfbewohnern rieten sie, den Ort zu verlassen, weil er bombardiert würde. Am gleichen Tag überreichten Bewohner des Ortes Lelkan einem AFP-Journalisten einen offenen Brief. Darin heißt es, türkische Soldaten hätten das Dorf geplündert, Waffen, Schafe und Nahrungsmittel gestohlen und Bewohnerinnen mißhandelt.

Während das türkische Oberkommando auf der Version beharrt, der Einmarsch sei eine „Polizeiaktion“ gegen „Terroristen“, lassen ungefilterte Informationen erahnen, daß den türkischen Soldaten die PKK als Gegner abhanden gekommen ist. Zahlreiche Guerilleros hätten sich vor dem Einmarsch aus der Gegend zurückgezogen, berichteten Augenzeugen. Andere haben sich möglicherweise unter die Zivilbevölkerung gemischt. „Wir haben ein großes Problem, weil wir nicht wissen, wer ein Dorfbewohner ist und wer zur PKK gehört“, zitiert die Washington Post einen Offizier.

In diesem Dilemma scheinen sich die türkischen Generäle für eine Politik der verbrannten Erde entschieden zu haben. Beim Zusammentragen der Informationen über zerstörte Dörfer entsteht der Eindruck, als sollte die Grenzregion entvölkert werden und eine menschenleere Pufferzone entstehen. Ähnliches betrieb Saddam Hussein, als er in den achtziger Jahren Tausende kurdische Dörfer zerstören ließ. Thomas Dreger