■ Tacheles reden wollte Klaus Kinkel mit seinem türkischen Amtsbruder über den Krieg gegen die Kurden in der UNO-Schutzzone im Irak. Gestern in Bonn verbat sich Erdal Inönü die deutsche Einmischung...
: Der Krieg des Partners heißt "Aktion"

Tacheles reden wollte Klaus Kinkel mit seinem türkischen Amtsbruder über den Krieg gegen die Kurden in der UNO-Schutzzone im Irak. Gestern in Bonn verbat sich Erdal Inönü die deutsche Einmischung – und Kinkel schwieg.

Der Krieg des Partners heißt „Aktion“

Klaus Kinkel steckt in der Klemme: Seit über zwei Wochen führt der Nato-Partner Türkei Krieg gegen die Kurden in der UNO-Schutzzone im Nordirak, und dem deutschen Außenminister rennen Menschenrechtler, die Opposition und sogar ein paar Fernsehsender mit Bildern vom Einsatz deutscher Waffen und Panzer dort das Außenamt ein. Eigentlich möchte er gern Tacheles reden mit seinem Gast, dem türkischen Außenminister Erdal Inönü. In Bild am Sonntag hat er über den erlösenden Satz bereits laut nachgedacht: „Unter Partnern muß man deutlich sagen: so nicht! Zieht euch aus dem Nordirak zurück.“

Aber dann steht sein türkischer Amtsbruder Inönü zu einer gemeinsamen Pressekonferenz neben ihm, ein freundlicher Herr, und Kinkel entscheidet sich doch für die höflichere Variante: Er nennt den Krieg „die Aktion im Norden Iraks“ oder „den Eingriff“, beschwört die „jahrzehntelangen partnerschaftlichen und freundschaftlichen Verbindungen“ zwischen der BRD und der Türkei, spricht von „berechtigten Sicherheitsinteressen“ der Türkei und davon, „wie traurig und entsetzt wir sind, daß es uns nicht gelungen ist, die brutalen Anschläge auf türkische Einrichtungen in Deutschland zu verhindern“.

Erst nach einiger Zeit fällt ein neues Stichwort: „Selbst wenn das Recht auf Selbstverteidigung unstreitig ist, dann ist aus unserer Sicht die Proportionalität des Eingriffs nicht gewahrt.“ Es sei zu überlegen, ob der Einsatz von 35.000 türkischen Soldaten wirklich notwendig sei, sagt Kinkel. Die Türkei solle sich „möglichst schnell, möglichst morgen“ aus dem Irak zurückziehen. Und: das Ja des Europaparlaments zur Zollunion mit der Türkei sei durch die Offensive im Irak „erheblich schwerer“ geworden. Aber dann redet er wieder von einer „inneren Angelegenheit der Türkei“ und davon, daß sich „ganz offensichtlich die türkische Regierung und die Streitkräfte um den Schutz der Menschenrechte bemühen“ bei ihrer Operation im Irak.

Und Erdal Inönü fängt den Ball auf, der von Kinkel zu ihm hinüberrollt; er nutzt ihn zum Gegenangriff: Er bedankt sich bei dem „sehr verehrten Kollegen“ für dessen Worte zu den Anschlägen auf türkische Gebetshäuser, Reisebüros und Ämter. Trotzdem: „Es ist möglich, daß zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland nötig wären“ – eine Einschätzung, die am Wochenende bereits 60 türkische Organisationen in einer ganzseitigen Zeitungsseite „An die deutsche Öffentlichkeit“ formuliert haben.

Inönü läßt einen Seitenhieb folgen, der seinen Gastgebern objektive Unterstützung der kurdischen Arbeiterpartei PKK unterstellt: „Äußerungen, die man immer wieder hört, wie die, man könne nicht vor jedes türkische Haus einen Polizisten stellen, ermutigen die PKK-Terroristen. Wenn wir entschlossen sind, können wir den Terrorismus bekämpfen.“ Der PKK-Terror in Deutschland sei ebenso wie der in der Türkei eine Aufgabe für die Sicherheitskräfte.

Kinkel schweigt, während Inönü Brandanschläge hier gegen das blutige Geschäft der türkischen Soldaten im Nordirak setzt. Er widerspricht auch nicht, als der türkische Außenminister die UN- Schutzzone, in der sein Land operiert, kurzerhand als „Niemandsland“ bezeichnet und von einem Machtvakuum im Nordirak spricht, das die UN nicht zu füllen in der Lage sei: „Stellen Sie sich vor, das gäbe es mitten in Europa. Würde dann Europa sagen: Nein, da dürfen wir nicht rein?“

Kinkel schaltet sich auch nicht ein, als Inönü auf den Einsatz deutscher Waffen im Kurdenkrieg eingeht. Er hatte zuvor erklärt, Inönü habe ihm gerade noch einmal bestätigt, daß deutsche Rüstungsgüter nicht verwendet würden. Nun nennt Inönü die Unterscheidung zwischen deutschen und anderen Waffen „eine absurde Frage, die zeigt, wie falsch die Einstellung unserer deutschen Freunde ist“. Zwar habe die Türkei sich an die Nato-Verabredungen gehalten, aber das seien Forderungen, „die wir schwer einhalten können. Man muß sein Leben schützen mit dem, was man hat.“

Als es an die Frage einer politischen Lösung des Kurdenproblems geht, von der Kinkel sprach, herrscht beredtes Schweigen auf deutscher wie auf türkischer Seite. Kinkel spricht von „weitgehender kultureller Autonomie der Kurden“, ohne daß „die territoriale Integrität“ der Türkei und anderer Staaten verletzt werden dürfe, in denen es kurdische Siedlungsgebiete gibt. Ja, die Voraussetzung für eine politische Lösung seien Gespräche der Konfliktparteien, sagt Kinkel. Ob da nicht auch die PKK dabeisein müsse, will eine Journalistin wissen. Kinkel: „Das ist Sache der Türkei.“

Inönü vertröstet die Öffentlichkeit auf Fortschritte in seinem Land: „Unsere Demokratie hat Probleme, nirgendwo gibt es eine perfekte Demokratie. Was man als kurdisches Problem bezeichnet, wird sich ändern mit den demokratischen Fortschritten“, sagt der türkische Außenminister und verweist auf „Verfassungs- und Gesetzesänderungen“, die in Vorbereitung seien. „Wir tun“, sagt Erdal Inönü, „wirklich unser Bestes.“ Andrea Dernbach, Bonn