Friedliche Lösung durch Stacheldraht?

Israelische Regierung entwickelt Pläne zur Abtrennung der palästinensischen Gebiete / Wirksamkeit und Kostenaufwand hinterfragt / „Tauben“ sehen Schritt zur Zwei-Staaten-Lösung  ■ Aus Tel-Aviv Amos Wollin

Separierung ist das neue Zauberwort, mit dem die israelische Regierung die durch die Serie von Attentaten vom Friedensprozeß immer weniger überzeugte Öffentlichkeit beruhigen will. Die von Regierungschef Jitzhak Rabin konzepierte Trennung, die den unkontrollierten Eintritt von Palästinensern nach Israel verhindern soll, wurde in Marathonsitzungen einiger Regierungskommissionen ausgearbeitet und Mitte März schließlich dem Kabinett vorgelegt. Die aufkommenden Zweifel über Wirksamkeit und Kosten eines solchen Projekts, das vor allem vom israelischen Polizeiminister Schahal befürwortet wird, stellen seine Durchführung jedoch immer mehr in Frage.

Separieren will Israel durch eine Sperrzone entlang der ehemaligen israelisch-jordanischen Waffenstillstandslinie. Zu den vorgeschlagenen Trennungsmethoden gehört ein elektronisch überwachbares Zaunsystem, mit dem Israel bereits den autonomen Gazastreifen umgeben hat. Darüber hinaus sieht das Projekt die Errichtung von Wachtürmen und die Verwendung mobiler Militär- und Polizeipatrouillen am Boden und in der Luft vor. Die Kosten, inklusive des Baus der geplanten 10 befestigten Kontrollübergänge, sollen ungefähr 700 Millionen Dollar betragen.

Zwar wird das Projekt als Sicherheitsmaßnahme zum Schutz der israelischen Bevölkerung gegen Terroranschläge dargestellt, aber die politische Bedeutung einer solchen Trennzone zwischen Teilen der Westbank und dem israelischen Kernland reicht weiter.

Die Palästinenser haben gemischte Gefühle: Einerseits sehen sie in dem israelischen Plan den „Vorläufer“ einer zukünftigen Grenze, andererseits lehnen sie ein von Israels Regierung allein geplantes Sperrgebiet ab. Entsprechend dem zwischen Israel und der PLO geschlossenen Osloer Abkommen besteht die palästinensische Autonomiebehörde unter Yassir Arafat auf bilaterale Verhandlungen aller politischen Beschlüsse über Vorkehrungen, die die Westbank und seine rund zwei Millionen Einwohner betreffen.

Israel als alleinige Kontrollinstanz der Trennzone zielt darauf ab, die geplante Separierung auch als wirtschaftliche Barriere zu nutzen – zum Ausschluß von Waren und von Arbeitern, die einstweilen darauf angewiesen sind, ihren Lebensunterhalt in Israel zu verdienen.

Was die Palästinenser besonders beunruhigt, ist die beabsichtigte Einbeziehung von Grenzgebieten der Westbank sowie des gesamten Raums von Jerusalem und seiner Peripherie in den vom übrigen palästinensischen Territorium abgegrenzten israelischen „Sicherheitsraum“. Das läßt auf Israels Absichten für eine zukünftige endgültige Grenzziehung schließen.

Aber auch auf israelischer Seite bestehen Vorbehalte. Vor allem in rechten Oppositionskreisen, aber auch im Regierungsrahmen warnt man, die gegenwärtig geplante „Sicherheitslinie“ könnte die spätere Grenzziehung zu Ungunsten israelischer territorialer Forderungen in der Westbank beeinflussen. Da die Verhandlungen für eine permanente Lösung erst in mehr als einem Jahr beginnen sollen, wäre es unangebracht, jetzt schon Vorstellungen von Grenzlinien anzudeuten. Siedler am Westufer befürchten, daß ihre Existenz „auf der falschen Seite“ der Trennzone problematisch werden könnte.

Das Finanzministerium und ein Beirat von Wirtschaftsexperten anderer Ministerien finden das Projekt des Polizeiministers einfach zu kostspielig. Zusätzlich zu den erforderlichen Investitionen von umgerechnet ungefähr 2,6 Milliarden Mark würden die Unterhaltskosten des Sicherheitsapparats jährlich mindestens 260 Millionen Mark betragen.

Israels wirtschaftliche Interessen würden ernsten Schaden leiden, wenn infolge der geplanten Barriere die Palästinenser auf einem freien Warenaustausch mit Jordanien und Ägypten anstatt mit Israel bestehen müßten.

In Israel sind es gerade die „Tauben“ in der Regierungskoalition, die Rabins Trennungspläne befürworten. Sie behaupten, daß damit ein wichtiger Schritt für eine zukünftige Zwei-Staaten-Lösung getan wäre. Dieses Argument wäre stichhaltig, wenn der Separierungsbeschluß das politische Resultat israelisch-palästinensischer Verhandlungen wäre, und nicht eine einseitige Sicherheitsmaßnahme.

Eine realistische Einschätzung, die von weiteren Experten geteilt wird, äußerte der israelische Gesundheitsminister Efraim Sneh, General d. R. und langjähriger Kommentator in Sicherheitsfragen. Er lehnt die vorgeschlagenen „mechanisch-technischen Trennmethoden ab, weil sie Terroranschläge nicht verhindern können. Das können Geheimdienste und Sondereinheiten der Sicherheit besser und billiger erreichen“. Seiner Meinung nach muß es zu einer politischen Trennung zwischen den eigenständigen Gebieten der Israeli und Palästinenser kommen. „Gegenwärtig sollte Israel viel mehr Palästinensern Arbeitsbewilligung in Israel erteilen, weil sonst die wachsende Not in Gaza und am Westufer nur Frust und nichts als aktiven Widerstand fördert.“