Bemüht vs. souverän

■ Leverkusen verliert verdient mit 1:2 gegen den AC Parma, und die "Zirkusluft" ist nun endgültig dem "Horror" gewichen

Leverkusen (taz) – Irgendwann einmal hat Reiner Calmund, Manager des Fußballvereins Bayer 04 Leverkusen, davon gesprochen, daß die Verpflichtung des Trainers Dragoslav Stepanovic „Zirkusluft“ in den immanent aseptischen Chemieclub bringen solle. „Stepi“, der radebrechende Serbohesse, galt als bunter Vogel, also Zugnummer. Zunächst hatte sich der Imagekraftakt auch erfolgversprechend angelassen – mit Pokalgewinn und Herbstmeisterschaft.

Eine Saison und zuletzt 2 : 12 Bundesligapunkte später hat der Manager das Genre längst gewechselt. Nun geht es nicht mehr um Kapriolen in der Höhenluft der Manege, nun kommt der Verein daher wie ein Hochstapler, der eine Raubtiernummer verkündet hat, um dann mit einer Streicheltiergruppe aufzutreten.

Calmund schwante auch am Dienstag nichts Gutes. „Horror“ war sein favorisiertes Wort, wenn er über das anstehende UEFA- Cup-Halbfinale gegen den AC Parma nachdachte. Und allerspätestens, als die Partie wirklich verloren war, wußte Calmund, daß man Erfolg und Ruhm nicht designen kann. Zurückgekehrt auf den Boden sportlicher Fakten einer 1 : 2-Niederlage, konstatierte er, daß man einem Gegner unterlegen gewesen war, der „eine Klasse besser“ gespielt hatte. Während es in den vorausgegangenen UEFA- Cup-Begegnungen aus unterschiedlichen, begünstigenden Umständen (Spielrausch gegen Eindhoven, zweitklassige Gegner aus Budapest und Kattowitz, Torwart- und Routinemangel bei Nantes) immer bemerkenswerte und torreiche Heimsiege gegeben hatte, war an diesem Abend immer deutlich: Auf dem Rasen steht eine vor allem bemühte Heim- gegen eine souveräne Gastelf. Keiner der zerknirschten Leverkusener Spieler, nicht der ausgelaugte Trainer oder der paralysierte Manager wußte das Spiel annähernd so präzise in Worte zu fassen wie Parmas Coach Nevio Scala: „Wir haben in der ersten Halbzeit den Ball langsam laufen lassen, und in der zweiten Halbzeit hat es uns gereicht, die Geschwindigkeit zu modifizieren.“

Gelassen und fröhlich kombinierten die Parmenser vor sich hin. Unberührt schienen sie vom Führungstreffer durch Sergio. Und in der Pausenentspannung entschieden sie wohl, daß es nun Zeit sei. Sicher, sogenannte individuelle Fehler diverser Leverkusener erleichterten die Tore, doch hätten nicht diese Chancen zum Erfolg geführt, die Italiener hätten weitere erspielt – und genutzt. So aber stellte die Hälfte der Offensivkräfte nach dem zweiten Treffer nachgerade demonstrativ die Arbeit ein. Sie hatten ihr Plansoll erfüllt.

Stepanovic blieb nichts anderes, als rätselhaft zu versprechen, man werde „versuchen, den Spieß noch umzubiegen“. Und ob er dazu Gelegenheit hat, weiß wahrscheinlich nicht mal der Manager.

Jetzt heißt für Calmund die erste Vereinspflicht „Ruhe bewahren“ und auf Bodenständiges zurückgreifen: „Ärmel aufkrempeln“, gegen „die Talfahrt“ in der Liga spielen und für das Rückspiel in Parma darauf hoffen, daß „im Fußball alles möglich ist“. Immerhin ahnt Calmund jetzt, daß man für Geld nicht alles bekommen kann. Und Nevio Scala weiß sogar, wo das immaterielle Defizit steckt: „Enthusiasmus, das ist im Fußball die wichtige Komponente.“ Katrin Weber-Klüver

AC Parma: Bucci - Minotti - Benarrivo, Fernando Couto, Susic, Di Chiara - Dino Baggio, Pin, Sensini (45. Fiore) - Zola, Asprilla

Zuschauer: 21.500 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Sergio (20.), 1:1 Dino Baggio (48.), 1:2 Asprilla (53.)

Bayer 04 Leverkusen: Vollborn - Lupescu - Melzig, Happe - Lehnhoff (64. Völler), Scholz, Schuster, Dooley, Hapal, Sergio (43. Thom) - Kirsten