Ein Leben lang unglücklich

■ Blick zurück: Darias Mutezintare

Darias Mutezintare leitet ein Waisenhaus in Nyamirambo, einem Armenviertel der ruandischen Hauptstadt Kigali.

„April war für uns eine Katastrophe. Wir sahen, wie Leute mit Gewehren und Macheten in die Häuser von Tutsi und Hutu gingen, die mit den Oppositionsparteien zu tun hatten. Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Ich sagte den Leuten, sie könnten ins Waisenhaus kommen, aber ich könne nichts garantieren. Die Miliz kam immer wieder, und ich mußte sie überreden zu gehen. Ich dachte, es würde alles in ein paar Tagen vorbei sein – aber statt dessen wurde es schlimmer. Nach dem April waren wir voll. Jeden Tag sammelte ich drei bis fünf Kinder ein, die einfach herumirrten. Nachts kamen die Frauen – viele waren vergewaltigt worden. Sie sagten es sogar vor uns: ,Vier Männer haben mich vergewaltigt.‘

So ging es immer weiter. Ich mußte einfach die Miliz bestechen. Dann kamen sie doch einmal herein und töteten zehn Leute, vor den Kindern. Ich versteckte Leute, wo ich konnte. Wir versuchten, wenigstens die kleinen Kinder am Leben zu halten, aber wir verloren zwölf Babys, weil wir keine Medizin für sie hatten. Wir hatten ein paar Medikamente übrig, aber unsere Krankenschwester war tot, und wir konnten die Packungsbeilage nicht verstehen.

Als die UN-Soldaten kamen, ließ die Miliz sie nicht rein. Ich mußte den UN-Führer beiseite nehmen und ihm sagen, daß bei mir Leute versteckt seien, daß sie nicht die Kinder evakuieren dürften und dann die Erwachsenen zurücklassen – die Kinder waren unser bester Schutz. Wenn die UNO bewaffnet gewesen wäre, hätte sie etwas tun können, sie hätte es auf die Stadt begrenzen können, und dann wäre es nicht im ganzen Land zu Massakern gekommen.

Jetzt habe ich 113 Kinder zwischen zehn Monaten und zwanzig Jahren. Alle sind traumatisiert, das ganze Land. Die Kinder hier haben gesehen, wie ihre Eltern getötet wurden. Sie sind nicht mehr wie vorher. Ihr Leben wurde abgeschnitten – nun kapseln sie sich ab. Ich kenne ein paar Mädchen, die vergewaltigt wurden und nun ihre Kinder bekommen haben. Es ist eine völlig unmögliche Lage für sie, und nun gibt es auf einen Jungen zehn Mädchen, so daß ein schwangeres Mädchen keinen Partner finden wird. Sie werden für den Rest ihres Lebens unglücklich sein.“