Zensur durch Diebstahl

■ Türkische Behörden beschlagnahmen unliebsames TV-Material aus Nordirak

Helsinki/Dohuk (AP/AFP) Die türkische Polizei hat nach Angaben eines finnischen Fernsehteams Filmmaterial beschlagnahmt, das Beweise für die Tötung kurdischer Hirten im Norden Iraks enthält. Die TV-Reporterin Lena Reikko teilte gestern nach ihrer Rückkehr aus dem Nordirak in Diyarbakir mit, bei dem Material seien Bilder der Leichen von sieben Hirten, die am Montag von türkischen Soldaten erschossen worden sein sollen.

Die türkische Regierung hatte die Anschuldigung am Dienstag als Propaganda der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) zurückgewiesen. Frau Reikko berichtete dem finnischen Fernsehen telefonisch, türkische Polizisten in Zivil hätten das Material am Dienstag abend auf dem Flughafen beschlagnahmt und den Journalisten erklärt, sie könnten es morgens wiederbekommen. Am nächsten Tag sei von der Polizei bestritten worden, daß der Vorfall je stattgefunden habe. „Mag sein, daß sie wußten, daß wir Material hatten, das für die türkische Armee belastend sein könnte. Ich fürchte, wir werden es nie wiedersehen“, sagte Frau Reikko.

Der Tod der sieben Hirten hat die Spannungen zwischen den nordirakischen Kurden und den türkischen Invasoren erhöht. In der Nähe von Dohuk kam es gestern zu einem Zwischenfall, bei dem drei Mitarbeiter des türkischen Roten Halbmonds und vier irakische Kurden getötet wurden. Zu dem Zusammenstoß kam es, nachdem Kurden, die zur Beerdigung der sieben Hirten unterwegs waren, an einer Tankstelle einen Lastwagen des türkischen Roten Halbmonds erblickt und angegriffen hatten. Augenzeugen berichteten, einer der Insassen habe vier Angreifer getötet. Die übrigen Kurden hätten dann das Fahrzeug gestürmt, Maschinenpistolen erbeutet und drei Türken erschossen. Später eingetroffene Kämpfer der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) wurden von der Menge mit Schmährufen bedacht. Die Dorfbewohner warfen ihnen vor, unfähig zu sein, sie vor der türkischen Armee zu schützen.