■ betr.: „Die SPÖ überrascht mit neuen Gesichtern“ von Robert Misik, taz vom 3. 4. 95

Schon zum zweiten Mal dürfen die taz-LeserInnen weder erfahren wer denn nun der ominöse vierte Minister ist, dem der österreichische Bundeskanzler Vranitzky den Laufpaß gegeben hat, noch durch wen er ersetzt wurde. Wer weiß, daß es sich um eine MinisterIN handelt, die gegen eine MinisterIN [die Grazer Stadträtin und Vorsitzende des steirischen SPÖ-Frauenverbandes Helga Konrad. d. LeserInnenbrief-Redakteurin] ausgetauscht wurde, ahnt das Weltbild des Herrn Misik. Eine Frau, und Frauenministerin noch dazu, ist ihm wohl keiner Erwähnung wert.

Dabei ist Frau Johanna Dohnal, 1978 von Bundeskanzler Bruno Kreisky als Staatssekretärin für Frauenfragen eingesetzt, die dienstälteste Frauenministerin Europas und hat sich weit über die Alpenrepublik hinaus einen Namen gemacht. Auch wenn sie sich in letzter Zeit nur noch beschränkt durchsetzen konnte, erinnerte ihr ungebrochen parteiliches Eintreten für die Frauen und die Schwachen der Gesellschaft, aber auch ihr ruppiger Zynismus an die Adresse männlicher Politiker, nostalgisch an die Hochzeiten der österreichischen Sozialdemokratie unter Bruno Kreisky. Und nachdem sich so manche einst radikale Feministin längst stillschweigend verabschiedet hatte, hielt Dohnal als Feministin mit Regierungsauftrag wacker – und immer verzweifelter – an ihrem Auftrag fest.

Mit der Verabschiedung Johanna Dohnals knapp vor der Weltfrauenkonferenz in Beijing ist eine Ära sozialdemokratisch-feministischer Frauenpolitik zu Ende gegangen. Die österreichischen Frauen werden Johanna vermissen.

Daß die taz es nicht für nötig hält, diese letzte große europäische Frauenministerin zu würdigen, zeugt von Ignoranz. Erica Fischer,

Autorin & Journalistin, Berlin