Die Befreiung ist lange her

In Simbabwe wird am Wochenende ein neues Parlament gewählt – und der Sieg der herrschenden Ex-Befreiungsbewegung steht bereits fest  ■ Aus Harare Willi Germund

Ein Windstoß, und das mit einem dünnen Draht angebundene schwarz-weiße Plakat dürfte die längste Zeit an dem Baum gehangen haben. „Margaret Dongo, Unabhängig“ wird – unter einem gestrichelten Konterfei der 35jährigen Politikerin – Name und Programm der Kandidatin für Simbabwes Parlamentswahlen an diesem Wochenende vorgestellt. Das halbe Dutzend Poster in Harares Stadtteil Hillside stellt eine große Ausnahme dar: Von Wahlkampf ist im ganzen Land fast nichts zu spüren. Und der Opposition ergeht es wenige Tage vor dem Urnengang wie den „Zehn kleinen Negerlein“: Täglich meldet der Herald, Simbabwes einzige und dem Staatspräsidenten Robert Mugabe ergebene Tageszeitung, daß ein weiterer Kandidat „aus familiären Gründen“ verzichte. Am Dienstag fiel der seit 1980 regierenden „Zanu/PF“ auf diese Weise schon der 55. Wahlkreis kampflos in den Schoß. Im Parlament werden 120 Sitze durch die Wahl vergeben, über die 30 anderen aber entscheidet der Präsident: Zehn Sitze vergibt Robert Mugabe an zehn Häuptlinge, acht Parlamentssitze werden an die vom Präsidenten ernannten Provinzgouverneure verteilt und zwölf weitere Politiker kann das Staatsoberhaupt nach eigenem Gutdünken ins Parlament befördern.

Bisher sitzen drei Oppositionspolitiker im insgesamt 150köpfigen Parlament. Nach den Wahlen könnten es, so zuversichtliche Schätzungen, vielleicht sieben werden – von 61 noch kandidierenden Regierungsgegnern. „Etwas mehr Wettbewerb wäre schon ganz gut“, sagt in dem Städtchen Hwange, 200 Kilometer südlich der weltberühmten Victoria-Fälle, der 38jährige Samson Ndlovu, ein Vater von vier Kindern. Wettbewerb gab es im Vorfeld der Wahl freilich vor allem innerhalb der Regierungspartei. Rund 50 Hinterbänkler der „Zanu/PF“ wurden nicht wieder aufgestellt. Lediglich der Klub der über 70jährigen – die Führungsgarde um den seit der Unabhängigkeit 1980 regierenden, 71jährigen Mugabe – wurde von dem Gerangel ausgenommen.

Gäbe es eine Opposition, sie hätte genug Themen

„Es ging bei der Auseinandersetzung um die Kandidatenaufstellung vor allem um Zugang zu den Fleischtöpfen der Politik“, glaubt der Politikwissenschaftler John Makumbe von der Universität von Simbabwe. Der „Zanu/PF“ stehen alljährlich aus dem Staatshaushalt rund sieben Millionen Mark zu. Mit seinen Studenten verfolgte Makumbe die Stimmenwerbung der Regierungspartei samt kostenloser Verteilung von Nahrungsmitteln und Aspirintabletten aus nächster Nähe.

Auf dem Land, auf dem 70 Prozent der rund zehn Millionen Simbabwer leben, ist von Opposition nichts zu sehen. Lediglich in den wichtigsten Städten wagen es Unentwegte, sich der übermächtigen Regierung entgegenzustellen. Zwar gründete vor zwei Jahren eine Gruppe von Regierungsgegnern die „Forum“-Gruppe, die von vielen Beobachtern als Vorläuferin einer Oppositionspartei betrachtet wurde. Aber bald starben zwei „Forum“-Organisatoren unter mysteriösen Umständen. Viele Politiker, die sich der Gruppe anschlossen, hatten zudem irgendwann schon einmal Wahlen gegen Mugabe verloren.Dabei lägen für eine Opposition die Wahlkampfthemen auf der Hand. Inflation von etwa 30 bis 40 Prozent, Kürzungen bei den Sozialausgaben, höhere Arbeitslosigkeit – alles Folgen eines von außen aufgezwungenen Strukturanpassungsprojekts für Simbabwes Wirtschaft. Die Führung des Finanzministeriums ist seit einem Jahr verwaist, weil Minister Bernard Chidzero an einer tödlichen Krankheit leidet. Das Industrieministerium arbeitet ebenfalls ohne Chef – der Minister kam Anfang 1994 bei einem Unfall ums Leben – und Mugabe hielt es nicht für nötig, ihn zu ersetzen. „Diese Regierung hat keine Perspektive, alles dreht sich nur um den Erhalt der Macht“, sagt Makumbe.

Halbherzig versuchte Mugabe, der sich im kommenden Jahr als Präsident wiederwählen lassen muß, Simbabwe einst in einen Einparteienstaat zu verwandeln, ebenso halbherzig wendet er sich nun der Mehrparteiendemokratie zu. Halbherzig strebte der ehemalige Priester in den 80er Jahren eine marxistische Ökonomie an, nicht minder halbherzig verfolgt seine Regierung nun den marktwirtschaftlichen Pfad. „Robert Mugabe und seine Gefolgsleute haben den Befreiungskrieg gegen die Weißen gewonnen“, bemühte sich das Blatt Sunday Mail dennoch tapfer, Gründe zu finden, warum die Simbabwer die „Zanu/PF“ wiederwählen sollten, „und wir müssen verhindern, daß in Simbabwe ein ethnischer Konflikt nach dem Beispiel von Ruanda entsteht“. Dieses Argument holen alle Staatschefs Afrikas aus der Schublade, wenn es um ihre autoritäre Herrschaft schlecht bestellt ist. „Parteiprogramme interessieren niemanden“, sagt Norbert Tengende von der Universität in Harare. Allerdings platzten auch die beiden Sachthemen, auf die Mugabe den Wahlkampf stützen wollte: Die Frage der Umverteilung des noch immer von weißem Großgrundbesitz dominierten Agrarlandes wurde unglaubwürdig, weil sein Landwirtschaftsminister Kumbirai Kangai unglücklicherweise die ersten 100 Farmen, die Weißen zur Landreform abgetrotzt worden waren, an Regierungsoffizielle und eigene Freunde verteilt hatte. Aber auch das Thema der Vorherrschaft der 100.00 Weißen über die Wirtschaft des Landes erwies sich als unpraktisch: Denn Simbabwes Regierung will Firmenbeteiligungen im Gesamtwert von etwa 150 Millionen Mark abstoßen, und da fehlen schwarzen Unternehmern die nötigen Mittel. So verkaufte die Regierung die Delta-Gruppe für über acht Millionen Mark – an ein weißes Konsortium.