Seekrieg vor Neufundland

■ Kanadische Küstenwache bedroht spanische Trawler / Eine Einigung über die Fangquoten für Heilbutt steht bevor

Madrid (taz) – Über 10.000 Fischer sind gestern mit ihren Familien nach Madrid gezogen. Sie demonstrierten unter starkem Polizeiaufgebot vor der kanadischen Botschaft. In der Nacht von Mittwoch hat die kanadische Küstenwache wieder zwei spanische Trawler außerhalb der 200-Meilen-Zone vor Neufundland angegriffen. Bei dichtem Nebel umkreisten zwei Schnellboote die Fischer mit „absolut überhöhter Geschwindigkeit und einem Seitenabstand von weniger als zwei Metern“, funkte der Kapitän der spanischen „Ana María Cantón“. „Sie versuchten viermal, uns die Schlepptaue der Netze zu durchtrennen. Allerdings ohne Erfolg.“ Die Kollegen von der José Antonio Iñores hatten weniger Glück. Ein Boot der Küstenwache verfing sich mit der Schraube in den Netzen und zerstörte sie vollständig. Die Fregatte „Serviola“ der spanischen Marine konnte nicht zur Hilfe kommen. Sie hatte sich zu weit entfernt. Allerdings gelang es, eines der Küstenwachboote, zu identifizieren, das die Netze zerstörte.

Die kanadische Regierung hüllt sich in Schweigen. Spaniens Botschafter in Ottawa, José Luis Pardos, bat vergeblich um einen Termin. Von seiten der spanischen Regierung wird der erneute Zwischenfall als „klare Provokation“ angesehen, war man sich doch in Brüssel bei den Verhandlungen zwischen der EU und Kanada nähergekommen. Nur noch die endgültige Festlegung der Fangquoten für das Jahr 1995 war offen. Während Kanada den Spaniern und Portugiesen 10.000 der insgesamt 27.000 von der Nordatlantischen Fischereiorganisation (NAFO) genehmigten Jahrestonnen zugestehen wollte, fordern Madrid und Lissabon mindestens 13.500 Tonnen.

Kanada hatte bereits zugesagt, die Trawler außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer nicht zu kontrollieren. Das Versprechen ist gebrochen, wenige Stunden vor einer Sondersitzung der europäischen Fischereiminister in Luxemburg, auf dem die weitere Marschroute im Heilbuttkonflikt abgesteckt werden sollte.

Spaniens Landwirtschafts- und Fischereiminister Luis Atienza wirft seinem kanadischen Kollegen Brian Tobin „fehlenden Verhandlungswillen“ vor. Man werde sich auf keinen Fall mit „Gewalt und durch Erpressung“ zu einer Einigung bewegen lassen. Atienza warnt vor weiteren Eskalationen. Der Versuch, Schlepptaue der Netze zu kappen, könnte blutige Folgen haben. Die oberarmdicken Stahlseile stehen unter so hoher Spannung, daß sie, einmal durchtrennt, wie eine Peitsche auf Deck zurückschlagen. Dabei zertrümmern sie alles, was ihnen in die Quere kommt. Rainer Wandler