Wider die generelle Tendenz zum Seichten

Andere produzieren Beilagen, deren Texte nur noch Umfeld für Anzeigen sind. Wieder andere geben vor, eine „Info-Elite“ zu bedienen – MacJournalismus.

Die taz schlägt den umgekehrten Weg ein. Wir glauben, daß die generelle Tendenz zum Seichten zumindest bei unserer Leserschaft – die ja überdurchschnittlich interessiert und gebildet ist – ein Gegenbedürfnis produziert: ein Bedürfnis nach Analyse, Hintergrundwissen, Tiefgang. Deshalb wird die taz am Freitag, den 12. Mai 1995, doppelt so dick sein wie üblich, und das wird sich jeden Monat einmal wiederholen.

In fünf Wochen nämlich wird Le Monde diplomatique, die weltweit größte Monatszeitung für internationale Politik zum erstenmal auf deutsch erscheinen und der taz beigelegt. Die Übersetzung und Redaktion betreut Marie-Luise Knott, die technische Produktion findet im Rudi- Dutschke-Haus, dem Berliner Stammsitz der taz statt. Die taz kooperiert hier mit der Zürcher Wochenzeitung, die die deutschsprachige Ausgabe der „Monde diplo“ ebenfalls beilegen wird. Worum sollten wir hinter Il manifesto zurückstehen, die seit einem Jahr eine italienische Ausgabe herausbringt? Auch in griechisch und arabisch erscheint die Zeitung. Le Monde diplomatique verdient deutschsprachige Leser. Und die taz-Leser verdienen Le Monde diplomatique.

Mit französisch-deutscher Kooperation hat die taz schon reichlich Erfahrung: 1988 brachten wir Lettre internationale auf den deutschen Markt, von der inzwischen 28 Ausgaben erschienen sind. Zwischen 1990 und 1992 produzierten wir, weltweit im Verbund mit über einem Dutzend Zeitungen, die auf Initiative der Pariser Libération entstandene World Media – bis wir aufgrund unserer Weigerung, eine Rüstungsanzeige zu publizieren, aus dem Medienverbund rausgeschmissen wurden. Und auch die gestern erschienenen Sonderseiten von Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières) zum Völkermord in Ruanda waren ein Produkt deutsch-französischer Zusammenarbeit.

Ach ja, bleibt noch, die andere Seite des Unterfangens zu erwähnen: Die taz wird einmal pro Monat, dann wenn die Beilage Le Monde diplomatique mitgeliefert wird, um eine Mark teurer, und auch der Abo-Preis wird um eine Mark angehoben. Wer „Le Monde diplo“ getrennt abonnieren möchte, muß sieben Mark berappen – so viel kostet auch die französische Ausgabe am deutschen Kiosk.

Thomas Schmid