Seelenheil dank Hasch

■ Ehemaliger Lehrer beschuldigt sich selbst des Konsums von Cannabis / Verhandlung im Landgericht vertagt

Vor dem Landgericht wurde gestern gegen einen Mann verhandelt, der sich zum langjährigen Konsum von Haschisch bekannt hat. In seiner dritten Verhandlung seit 1990 legte der ehemalige Lehrer Fridolin S. vor den aufmerksam zuhörenden Richtern der großen Strafkammer die Gründe für seine Selbstanzeigen und sein Suchtverhalten dar.

Neun Kilo Cannabis hat Fridolin S. seit 1988 aus Amsterdam eingeführt, 13 Monate Freiheitsentzug hat ihn das in den Jahren 1992 und 1994 schon gekostet. Kaum hatte Fridolin S. im vergangenen Jahr das Gefängnis Tegel verlassen, zeigte er sich wieder an. Der 53jährige hatte nach eigenen Angaben sowohl im Knast als auch nach der Haft Haschisch im Wert von 10.000 Mark erworben.

Seit seiner Studienzeit hatte Fridolin S., der sich selbst als „traurigen Menschen“ bezeichnet, der häufig Depressionen hat, ein gravierendes Alkoholproblem. Bis 1986 trank der Vertrauenslehrer an einer Hauptschule jeden Abend anderthalb Flaschen Weinbrand, um Ruhe zu finden. Durch die Anonymen Alkoholiker hat Fridolin S. dann einen Entzug geschafft. Doch die Traurigkeit blieb.

Nach einem Rückfall hatte er zwei Jahre später den ersten Kontakt zu Marihuana und stellte fest, daß die sanfte Droge ihm seelische Stabilität verleiht und langfristig helfen könnte, auf Alkohol zu verzichten. Seitdem leidet Fridolin S., der mit Hingabe und Dankbarkeit („die Sicherheiten des Beamtenwesens sind eine schöne Einrichtung für Labile und privat Gescheiterte“) bis vor fünf Jahren seinen Lehrerberuf ausübte, unter einem anderen Problem: der Illegalität seines Haschisch-Konsums. Mit seinen Selbstanzeigen setzt sich Fridolin S. für eine generelle Legalisierung des Pflanzenextraktes ein und fordert, seinen Fall vor dem Verfassungsgericht zu verhandeln.

In einer dreißigseitigen Dokumentation seines Falles erläutert Fridolin S. auch, weshalb er eine Trennung von weichen und harten Drogen für unbedingt notwendig hält. Viele Dealer hätten oft kein Haschisch im Angebot. Da die weiche Droge nicht legal gekauft werden kann, sei der Schritt, etwas anderes zu nehmen, nur ein sehr kleiner. Immer wieder wandte sich der Angeklagte an die Schulklasse auf den Besucherbänken und appellierte an ihre Vernunft, trotzdem ein drogenfreies Leben zu führen. Das sei auch immer sein Ziel gewesen.

Fridolin S. hat Aids im Endstadium. Mit freundlichen Worten und ohne die Spur von Selbstmitleid erklärte er, daß der Cannabis- Konsum für ihn lebensnotwendige Therapiezwecke erfülle. Seit Jahren verbrauche er täglich vier Gramm, die ihm gegen die für sein Krankheitsbild typische Appetitlosigkeit helfen: „Ich gehe verantwortungsvoll mit meiner Droge um, verursache keinen gesellschaftlichen Schaden und bereichere mich nicht.“ Die Verhandlung wurde auf den 21. Juni vertagt. Es wird sich zeigen, ob die Richter wenigstens diesmal ein Einsehen haben. Simone Miller