Die Kleinen fliegen am besten

Affolterbach, wo Wettkämpfer mit Ostereiern werfen. Wer nicht trainiert, hat keine Chance. Zur Dopingkontrolle müssen die Eier nach erfolgreichem Wurf gegessen werden  ■ Von Roberto Hohrein

Gemessen an andern Osterbräuchen ist es sicherlich eine sehr junge Tradition. Aber der jährliche Ostereierweitwurfwettkampf ist inzwischen aus dem Gemeinschaftsleben der kleinen Odenwaldgemeinde Affolterbach bei Waldmichelbach im Kreis Bergstraße nicht mehr wegzudenken. Es ist der sportliche Höhepunkt des Ortes.

Angefangen hat alles am Ostermontag 1978 nach dem Kirchgang. Insider behaupten allerdings, es sei nach dem an die Messe anschließenden Frühschoppen gewesen. Da beschlossen einige sportliche Männer des Dorfes, zu einem ungewöhnlichen Wettkampf anzutreten. Wer kann ein Osterei am weitesten werfen, war die Herausforderung. Damit es nicht gar zu einfach war, mußten die Eier über ein Hindernis hinwegfliegen. Da stand doch gerade diese Scheune mit der Wiese dahinter. Ein idealer Ort für den ersten Ostereierweitwurfwettkampf. Wer damals gewann, das ist nirgends aufgelistet, denn der OCA, der Ostereierweitwurfclub Affolterbach, wurde erst danach gegründet.

Seitdem aber findet der Eierwettkampf jährlich statt. Zwischen hundert und hundertfünfzig Teilnehmer kommen in jedem Jahr. Wie bei jedem sportlichen Ereignis gibt es Kinder- und Seniorenklassen und natürlich die wurfstarken jungen Leute, die teilweise von sehr weit her gereist kommen, um einen der originellen Pokale zu gewinnen. Davor aber haben die Götter den Schweiß und den Fleiß gesetzt. Wer nicht trainiert, hat auch bei dieser neuen Sportdisziplin kaum eine Chance.

Die Handballer sind die Asse unter den Werfern. Mit Weiten von über hundert Metern liegen sie seit Jahren in Führung in der „Touristenklasse“. Jeder, der sich etwas zutraut, darf teilnehmen. Um 13.30 Uhr wird die Einschreibeliste eröffnet. Hartgekochte Eier müssen natürlich mitgebracht werden. Michael Autor, einer der Senioren des OCA, verrät die Geheimnisse: „Es müssen kleine Eier sein, die fliegen am besten.“ Und sie müssen sehr, sehr lange gekocht sein. „Ich koche sie mindestens eine halbe Stunde lang.“ Der zweite Vorsitzende gehört mit zu den besten Werfern. Dieses Jahr allerdings räumt er sich wenig Chancen ein. „Ich habe mir bei einem Skiunfall im Winter eine Armverletzung zugezogen. Der Arm ist zwar wieder in Ordnung, aber ich bin beim Werfen doch noch nicht so ganz in Form.“

Die einheimischen Mitglieder des OCA haben ihren eigenen, lokalen Wettbewerb. Traditionell am Ostermontagmorgen nach dem Gottesdienst. Da werfen dann die vierzig Ortsmatadore die hartgekochten Eier. Die Scheune von damals ist inzwischen zu einem Wohnhaus umgebaut, das einem der Vorsitzenden des Vereins gehört. Rudi Sattler ist von Beruf Maler. Aber trotzdem wird sein Haus vor Beginn der Wettkämpfe mit einer großen Folie abgehängt. Schließlich schafft nicht jeder die erste Hürde. Eine weitere Bedingung müssen zudem alle Werfer erfüllen. Das Ei muß über das Haus fliegen, es muß auf der Wiese landen und – es muß ganz bleiben. Gesprungene, zerplatzte und zerschmetterte Eier fliegen gnadenlos aus der Wertung. Die fünf besten Werfer müssen zudem beweisen, daß ihr Ei ein echtes, hartgekochtes und kein Gipsei war. Zur gnadenlosen „Dopingkontrolle“ müssen die Gewinner das Ei vor Zeugen essen.