"Bio" ist geschützt

■ Die Bio-Verordnung der EU bietet einen Mindestschutz für Verbraucher / Label ist bei Produzenten wenig attraktiv

Wo das Wörtchen „Bio“ draufsteht, muß auch Bio drin sein. Das jedenfalls verlangt die Bio-Verordnung der Europäischen Union seit Januar 1993. Ihr zufolge müssen alle pflanzlichen Lebensmittel, die durch Worte wie „Öko“, „Bio“ oder auch „naturnah“ den Eindruck erwecken, sie stammten aus ökologischem Landbau, umfangreiche Kontrollverfahren durchlaufen. Dazu führen private Kontrollstellen im Auftrag der Bundesländer regelmäßig und unangemeldet Inspektionen auf den Biohöfen durch.

Die Bauern müssen mittels ausführlicher Buchführung alle Warenvorgänge dokumentieren und dürfen nur die in einer „Positivliste“ aufgezählten Mittel zum Düngen oder zur Schädlingsbekämpfung einsetzen. Außerdem sind Anbaumethoden, Fruchtfolgen oder Maßnahmen zur Bodenverbesserung genau vorgeschrieben.

Doch gewähren die Vorschriften dieser Bio-Verordnung der allenfalls eine Mindestgarantie für Verbraucher vor Schadstoffen. Weitreichender sind da die Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL), zu der sich acht Landbauverbände, darunter Demeter und Bioland, zusammengeschlossen haben. Ihre Einhaltung wird verbandsintern ebenfalls streng geprüft, allerdings sind sie nur freiwillig und nicht rechtsverbindlich. Die Kosten für die EU-Kontrolle liegen zwischen 800 und 1.200 Mark jährlich, hinzu kommen die Kosten für den eigenen Landbauverband – Belastungen, die auf konventionell bewirtschafteten Höfen nicht anfallen.

Nach erfolgreich durchlaufener EU-Kontrolle können die ProduzentInnen ihre Waren mit dem Vermerk „EWG-Kontrollsystem – Ökologische Agrarwirtschaft“ kennzeichnen. Allerdings findet man diesen Aufdruck kaum in den Geschäften, denn dieses Siegel wird von Biohöfen nur selten in Anspruch genommen. Sie benutzen viel lieber die gemeinhin bekannten Verbandslabel – vielleicht deshalb, weil sie nicht mit der EU- Agrarpolitik in Verbindung gebracht werden wollen?

Was die AGÖL-Verbände allerdings nicht gern zugeben ist, daß sie auf Kosten des Verbraucherschutzes eine Marketingstrategie führen, die im Sinne einer „corporate identity“ auf eine Stärkung der eigenen Markenzeichen hinausläuft. Das wiederum wird von Verbraucherverbänden teils heftig kritisiert. Sie fordern, den bislang freiwilligen Aufdruck zwingend vorzuschreiben. Nur dann nämlich, so ihre Argumentation, hätten die KonsumentInnen eine einheitliche Biogarantie.

Doch gibt es Bestrebungen, den Anteil der Zutaten aus ökologisch kontrolliertem Anbau bei Lebensmitteln auf 70 Prozent zu senken – bislang sind es mindestens 95 Prozent. Das würde dem Grundgedanken, die Verbraucher vor Pseudobioprodukten zu schützen, widersprechen. Ein bisher zwar abgewendeter, aber dennoch immer wieder eingebrachter Vorschlag, will sogar gentechnisch hergestellte Mikroorganismen oder entsprechende Enzyme im Ökolandbau zulassen. Die Erweiterung der EU-Verordnung auf tierische Produkte und Biofleisch – in jeder Agrardebatte immer heiß diskutiert – ist nach ständigen Verzögerungen allenfalls mit Beginn des nächsten Jahres zu erwarten. Vor diesem Hintergrund ist es wiederum verständlich, warum die Biohöfe an den Siegeln ihres Landbauverbandes festhalten und auf den EU-Kontrollvermerk lieber verzichten: Wer weiß denn schon, was als nächstes aus Brüssel kommt? Ina Rust