■ Mit EU-Überschüssen auf du und du
: Wein im Auspuff

Brüssel (taz) – Eigentlich eine gute Nachricht: In der EU wird mehr Wein angebaut, als die gesundheitsbewußten Europäer trinken wollen. Von 190 Millionen Hektoliter bleiben jährlich 40 Millionen übrig. Nach den Gesetzen des Marktes müßten die Tropfen dadurch billiger werden. Aber auf Druck der Winzer-Lobby hat sich die Europäische Kommission in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer neue Maßnahmen dagegen einfallen lassen. Allein 1,3 Millionen Mark gibt die EU jedes Jahr für Abholzprämien aus und noch einmal 1,5 Millionen dafür, die Überschüsse zu Schnaps zu brennen.

Das Ergebnis ist, daß die schlechtesten Hänge gerodet und auf den guten jedes Jahr 50 Liter mehr herausgeholt werden. Außerdem bauen viele Winzer nur noch für die EU- Destillen an, in Portugal allein fast 40 Prozent. Jetzt will die Kommission einen neuen Anlauf nehmen. Jedes Land soll nur noch eine festgesetzte Menge Wein auf den Markt bringen dürfen. Um die Lobby zu beruhigen, hat die Kommission direkte Einkommenshilfen in Aussicht gestellt.

Doch dagegen gibt es heftige Widerstände. Das Europaparlament hat am Donnerstag die Vorlage abgelehnt. Einig sind sich die Parlamentarier aber nur darin, daß sie Quoten nicht wollen. Die Abgeordneten aus den südlichen Ländern wollen das Zuckern einschränken. Denn in den nördlichen Regionen, in Deutschland, in Belgien, Luxemburg, Nordfrankreich und auf den vereinzelten Weinbergen in Großbritannien, reicht die Sonne nicht aus, um dem Wein genügend natürlichen Alkoholgehalt mitzugeben. Die Abgeordneten aus dem Norden halten dagegen. Zuckern habe eine lange Tradition und schränke die Qualität nicht ein. Deutsche und nordfranzösische Weine gelten als ausgesprochene Qualitätsweine. In der Tat entstehen die Überschüsse im Süden. Außerdem wird auch hier nachgebessert – mit Sirup aus Weintrauben. Weil das nach der EU-Logik zum Abbau der Überschüsse beitrage, wird das Sirup-Panschen jährlich mit 300 Millionen Mark gefördert. Nach den Vorstellungen des neuen EU-Agrarkommissars soll damit Schluß sein. Auch das Zuckern will er einschränken. Die Zeit drängt, in den letzten 15 Jahren sind die EU-Ausgaben für Wein von 500 Millionen auf drei Milliarden Mark hochgeschnellt. Auch die überflüssigen Schnapslager sind teuer. Zur Zeit versucht die Kommission, den Sprit verlustreich an brasilianische Tankstellen zu verkaufen. Eine Dauerlösung sei das nicht, meint der Kommissar. Alois Berger